Natürlich gibt es schlechte Eröffnungszüge

oder: Wie man einen Artikel nicht kritisiert
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von Sebastian Beer
 

Eine Replik auf die Replik "Schlechte Eröffnungszüge gibt es gar nicht" von Markus Jauernig und Dietmar Helbig.


Markus Jauernig und Dietmar Helbig haben sich in ihrem umfassenden Artikel Schlechte Eröffnungszüge gibt es gar nicht (im Folgenden als SEGEGN zitiert), ziemlich viel Mühe gemacht, einen meiner Artikel, nämlich Die schlechte Eröffnung, zu kritisieren. Das ist, wie Timo in seinem Editorial anmerkte, im Sinne einer offenen Diskussion über einzelne Artikel sehr begrüßenswert. Andererseits kann die Kritik von Markus und Dietmar nicht in allen Punkten unwidersprochen so stehen bleiben. Sehr viele Behauptungen sind bei genauem Hinsehen einfach nicht aufrecht zu erhalten bzw. schlicht zu oberflächlich oder gar falsch. Auf ein paar dieser Argumentations- und Denkfehler möchte ich im Detail hinweisen. Weniger, um meinen eigenen Artikel zu rechtfertigen, als vielmehr um zu zeigen, daß eine fruchtbare Diskussion so sicher nicht funktionieren kann. Ich werde "Schlechte Eröffnungszüge gibt es gar nicht" sehr ausführlich kommentieren - auch auf die Gefahr hin, daß nur Timo sich bis zum Ende durchkämpft. :o) 


1. Kritik an der allgemeinen Kritik an meiner Kritik

1.1 Markus und Dietmar machen sich also zunächst Sorgen, daß mein Artikel von unbedarften Newbies als Dogma aufgefaßt werden könnte, weil er ihnen gar zu selbstbewußt verfaßt ist. Dazu ist zweierlei anzumerken. Erstens rechne ich (im Gegensatz offenbar zu den Autoren von SEGEGN) mit einer gewissen Gabe zu selbständigem Denken bei den Lesern meines Artikels. Mein Vertrauen in den eigenständigen Intellekt der Leser mag daher rühren, daß ich selbst täglich Artikel konsumiere (als bekennender Zeitungsleser) und weit davon entfernt bin, alles zu glauben, was in der Zeitung steht. Auch wenn es von Menschen kommt, die sich in einem Fachgebiet weit besser auskennen als ich, und aus Berufsgründen so tun, als wüßten sie alles. Ein ähnlich mündiges Umgehen mit meinem Artikel setze ich der Lektüre voraus (und fühle mich ganz unwohl dabei, das überhaupt erwähnen zu müssen). Es ist rührend von Markus und Dietmar, sich Sorgen um unbedarfte Newbies zu machen, die in die "Falle des S. Beer" tappen könnten. Meine Meinung dazu ist, daß Markus und Dietmar unsere Newbies dabei heftig unterschätzen.


1.2 Der zweite Punkt ist, daß ich zu "Die schlechte Eröffnung" einen weiteren Artikel, quasi begleitend, geschrieben habe (er heißt praktischerweise Über den Gebrauch von Diplomacy-Artikeln), der meine Position als "Diplomacy-Artikel-Autor" per Eigendefinition genau umreißt. Dort hätten Markus und Dietmar unter anderem folgende Passagen finden können: "Diplomacy auf den allgemeinen Nenner gebracht erweist sich im konkreten Spiel meist als absolut überflüssiges Gewäsch [...]. Diplomacy Artikel [...] zeigen mögliche Wege auf, nicht Trampelpfade, an die man sich halten muß um zu gewinnen.". Wie kann man das mißverstehen? Auf meinen Artikel umgelegt entkräftet das ungefähr die ganze Kritik von SEGEGN. Mir war es nie ein Anliegen, Trampelpfade zum Diplomacy-Glück zu präsentieren, oder Züge, die man nicht spielen sollte. Nur eine genaue Untersuchung der Stärken und Schwächen von Zügen (mit denen man dann arbeiten kann) muß erlaubt sein, ebenso, wie eine vielleicht etwas plakative Darstellung der Ergebnisse. 


1.3 Ein weiterer Kritikpunkt von SEGEGN ist, daß man einzelne Züge nicht unabhängig von ihren Begleitzügen und diplomatischen Kontext besprechen könne. Ich denke, ich erkläre in meinem Artikel sehr gut, daß das gar nicht meine Absicht ist. Vielleicht allerdings nicht explizit genug. Hier nochmal mein Anliegen in "Die schlechte Eröffnung":

Markus und Dietmar haben recht, wenn sie meinen, daß es meine Absicht war, alte Denkstrukturen in Bezug auf Diplomacy, die sich offenbar eingeschliffen haben, aufzubrechen. Mein Anliegen war es, Züge, die oft gedankenlos gespielt werden (weil sie logisch aussehen und/oder häufig gespielt werden), obwohl sie taktisch nicht unbedingt die brauchbarsten sind, als eben solche zu entlarven.

Mir sind nun speziell drei konkrete Züge aufgefallen, die meiner Meinung nach - in Relation zu ihrem tatsächlichen taktischen Wert - unverhältnismäßig oft gespielt wurden. Diese drei Züge habe ich (auch unter Berücksichtigung ihrer Begleitzüge) auf ihre Nachteile abgeklopft, und auf ihre Unterlegenheit gegenüber Alternativzügen. Ich habe z.B. erklärt, warum ich mir als Engländer F Lon-Eng sehr genau überlege (und nicht, daß dieser Zug nie gespielt werden sollte).

Ich kann mir natürlich Situationen vorstellen, in denen ich selbst F Kie-Hol oder F Lon-Eng spielen würde. Allerdings weiß ich genau um ihre Nachteile, und ziehe sie nicht, weil mir nichts besseres einfällt - ich vermeide sie sogar, da ich sie taktisch minderwertig gegenüber anderen finde. (Ich kann mir andererseits keinen Kontext vorstellen, der mir ein F Sev-Rum entlocken würde - ich warte immer noch auf ein Beispiel, wo dieser Zug F Sev-Bla überlegen wäre.)

Wenn nun, nach meinem Artikel, einige Spieler über die Vorzüge und Nachteile des Zuges F Lon-Eng nachdenken, bevor sie ihn spielen, ist mein Werk auch schon getan. Jeder Zug, bei dem sich ein Spieler etwas gedacht hat, ist anzuerkennen. Übel ist nur, einen Eröffnungszug, den man einfach schon oft gesehen hat, oder der auf den ersten Blick verheißungsvoll aussieht, zu tun, ohne darüber nachgedacht zu haben. Mein Artikel sollte die Reflexion bestimmter Züge und ihrer Problematik unterstützen.


1.4 Der Hinweis in SEGEGN auf die Strategie, bewußt eine schlechte Eröffnung zu ziehen, um die eigene diplomatische Position zu stärken (eine offenbar tatsächlich gebräuchliche Taktik), ist hingegen ziemlich widersprüchlich. Also wie jetzt, gibt es nun taktisch schlechte Eröffnungen (was ist dann an meinem Artikel auszusetzen?) oder nicht (wie kann ich dann im Spiel diplomatisch aus einer bewußt schlechten Eröffnung Kapital schlagen?)? Um meine Züge als schlecht darstellen zu können, muß natürlich erst mal ein Konsens zwischen mir und meinen Mitspielern her, welche Züge denn nun als schlecht anzusehen sind. Und eben da kann mein Artikel behilflich sein.

Anders gesagt stelle ich mir etwa folgende Situation vor: Ich versuche als Osmane, dem Russen klar zu machen, daß ich, wie Markus und Dietmar das vorschlagen, meine Einheiten "bewußt schlecht positionieren" werde, um ihm ein wenig entgegen zu kommen. Ich ziehe folgerichtig A Smy-Syr, und erhoffe mir dadurch diplomatische Vorteile im Umgang mit dem Zaren. Und dann bekomme ich vom Zaren unter die Nase gerieben, daß A Smy-Syr laut SEGEGN gar nicht schlecht sein KANN, denn "schlechte Eröffnungen gibt es gar nicht", und daß ich aufhören soll zu simulieren. (Wie gut für den Sultan, daß er dann auf meinen Artikel verweisen kann... :o) )

Soviel zu den allgemeinen Kritikpunkten. Weiters wurde meine Kritik an den drei von mir untersuchten Eröffnungszügen kritisiert. Ich gehe hier nicht auf alle Argumente ein, sondern beschränke mich auf die gröbsten logischen Fehler und mißglücktesten Argumentationen in SEGEGN. Ich möchte andererseits nicht verhehlen, daß ich einige Kritikpunkte an meinem Artikel (die sich in Gesprächen oder Partien ergeben haben) gar nicht so absurd finde; merkwürdiger Weise tauchen diese Punkte in SEGEGN aber nicht auf. Auch deshalb der Untertitel "Wie man einen Artikel nicht kritisiert".


2. Replik zu F Lon-Eng

2.1 An prominenter Stelle ist hier in SEGEGN die Behauptung aufgestellt, daß es für ein Reich nicht unbedingt katastrophal sei, im ersten Jahr keine Aufbauten zu haben. Aus eigener Erfahrung kann ich dazu nur schmunzeln. Ich habe das bisher fünf Mal in Spielen erlebt, an denen ich selbst beteiligt war (zwei Mal übrigens bei England), und kann sagen: Von Vorteil war der No-Build 1901 sicherlich in keinem Fall. Vier Spieler sind sehr bald nach diesem Lapsus ausgeschieden, ein Spiel ist noch in Gange (und der Betreffende hat noch genau eine Einheit auf dem Brett).

Natürlich ist es für jedes Reich schlecht, 1901 ohne Aufbau zu bleiben. Reiche ohne Aufbau 1901 sind erstens schwache Partner und zweitens schwache Gegner. Beides führt dazu, daß sie ein beliebtes Angriffsziel darstellen. Die Gratisaufbauten, die man sich 1901 unter den Nagel reißen kann, ohne dabei jemandem auf die Zehen zu treten, sind nach dem ersten Jahr zumeist weg (Ausnahme: Italiens Tunis) und werden von den Nachbarn nicht mehr freiwillig abgetreten werden. Und für einen ernsthaften Kampf um diese Zentren fehlen dann, richtig, die Einheiten.

Man kann sich vorstellen, daß nicht vielen das Kunststück eines Markus Beisser gelingen wird, aus einer so verfahrenen Situation noch etwas zu machen (Zweiter mit elf Zentren, wie in SEGEGN angemerkt). Diese Ausnahme hier als Beispiel anzuführen, ist allerdings mutig. Vielleicht sollte England 1901 ja immer auf Aufbauten verzichten? Zweite Plätze mit elf Zentren winken...

Oder, um auf ein Beispiel aus dem Fußball zurückzugreifen: Ich erinnere mich an ein dramatisches Europacupmatch von Werder Bremen, wo ein 0:3 nach der ersten Hälfte von Werder noch in ein 5:3 umgedreht wurde. Auch das ist natürlich möglich. Daraus aber abzuleiten, daß es "keine große Rolle spielt, wenn man zur Pause mal eben 0:3 hinten liegt", wäre allerdings ein bißchen vermessen.


2.2 Lon-Eng könne gegenüber Frankreich als defensiver Zug verkauft werden, steht weiters in SEGEGN zu lesen. Man müsse nur Frankreich vorher davon in Kenntnis setzen. Freilich, aber ist es dann nicht besser, wenn gleich keiner hineinzieht? Beide, Frankreich und England würden eine Einheit verschenken, damit keiner in den Kanal ziehen kann. Eine effektive Eröffnung sieht anders aus (zumal es für beide Einheiten nützlichere Züge gibt).

Wenn Frankreich allerdings nicht davon informiert ist, ist Lon-Eng ein klarer Affront; ähnlich wie ein nicht abgesprochenes Ank-Arm, Ven-Pie oder Mos-StP. Natürlich kann man versuchen, den Zug auch dann als defensiv zu verkaufen, allerdings wird das schwer. Nochmal: Wenn ich als Engländer ein guter Freund des Franzosen bin, ist ein vereinbarter Bounce in Eng reines Abschenken von zwei Tempi (anders als Bla kann Eng zwischen Frankreich und England einfach ignoriert und offen gelassen werden; die Flotten haben Sinnvolleres zu tun), und eine F Eng kontraproduktiv. Wenn ich kein Freund des Franzosen bin (eine Aussage, die 1901 für einen guten Spieler vermutlich zu früh kommt), kann ich mir einen Frontalangriff auf Frankreich überlegen; dann aber bitte in Kombination mit A Liv-Wal.


2.3 Besonders ärgerlich wird es, wenn Markus und Dietmar auf (absichtlich?) mißverstandenen Ausdrücken herumreiten. Das ist einer ernsthaften Kritik nicht würdig und zieht das Niveau der Diskussion herunter. Natürlich ist es nicht als geographische Angabe zu verstehen, wenn ich schreibe: "Was Lon-Eng zusätzlich problematisch macht, ist, daß bereits der erste Zug direkt gegen einen Nachbarn gerichtet ist." Ein unabgesprochenes Lon-Eng ist ein klarer Affront gegen Frankreich, und zwar nicht, weil der Zug in (die geographische) Richtung Frankreichs geht, sondern weil er Frankreich direkt (in Bre) bedroht. Anders als z.B. Ber-Kie, das zwar auch in die geographische Richtung Frankreichs zielt, jedoch nicht unbedingt feindlich gegenüber Frankreich ist. Muß ich das wirklich erklären? Solche Spitzfindigkeiten sollten in einer sachlichen Kritik eigentlich nicht als Argumente angeführt werden.


2.4 In der Folge vermischen Markus und Dietmar mehrere von mir aufgestellte Behauptungen und Szenarien, um, oh Wunder, festzustellen, daß sie einander dann wechselseitig widersprechen. Die unzulässigen Verquickungen aufzudröseln wäre Inhalt eines eigenen Artikels, vielleicht interessant für die Diskursanalyse, aber nicht für dieses Forum. Bei Interesse bin ich allerdings gerne bereit...


2.5 Ich sehe allerdings ein, daß es Situationen gibt, in denen England eine anti-englische Eröffnung Frankreichs vorherzusehen glaubt, und deswegen unbedingt in den Kanal ziehen will. Um Mißverständnisse zu vermeiden, wird der Zug angekündigt, woraufhin Frankreich vermutlich ebenfalls F Bre-Eng ordert. Wiederum gilt: für beide ein verschenkter Zug, aber wenn die Sicherheit ruft, muß wohl gefolgt werden. 


3. Replik zu F Kie-Hol

3.1 Hier führt uns SEGEGN recht ausführlich vor, warum für Deutschland das Bouncen des Russen in Swe immer von Nachteil ist. England bekäme, so die Behauptung in SEGEGN, in der Folge Schweden und St. Petersburg und stünde bald mit seinen Flotten vor der deutschen Küste. Das ist allerdings genau die Art von verallgemeinernder Argumentation, die mir in SEGEGN (zu Unrecht) vorgehalten wird: eine sehr lose Argumentationskette. Ich sehe beim besten Willen weder, warum nach der Verweigerung Schwedens gegenüber Rußland unbedingt England nach Swe kommen sollte (meiner Erfahrung nach ist es eher Deutschland), noch, warum ein England in Swe zwangsläufig zu dutzenden englischen Flotten vor der deutschen Küste führen sollte. Abgesehen davon war von einem unbedingt notwendigen Bounce in Swe doch gar nicht die Rede. Allein die Möglichkeit (erworben durch F Kie-Den) erweitert Deutschlands diplomatischen Spielraum gewaltig (und der Bounce ist in manchen Situationen sicher eine feine Sache).


3.2 Und etwas anderes verstehe ich hier nicht: Als erstes Argument für Kie-Hol wird von Markus und Dietmar folgendes angeführt: "Der Kniff liegt aus meiner (sic!) Sicht darin, seine Einflußmöglichkeiten jeweils gut zu verkaufen. Wer aber nie etwas anzubieten hat, wird schnell das Opfer eines feindlichen Deals werden." Ich halte das für sehr richtig, frage mich aber, wie ich meinen potenziellen Einfluß auf Swe geltend mache, wenn ich nicht nach Den ziehe. Andererseits: Den Einfluß auf Bel sichere ich mir leicht durch Mun-Ruh. Wozu dann noch die F Hol? Ist doppelter Einfluß auf E/F jetzt besser (und warum?) als Einfluß auf E/F UND R?

Weiters schreiben Markus und Dietmar, daß Kie-Den nachteilig ist, weil einerseits Rußland verärgert, andererseits Einfluß auf Bel abgegeben wird. Diese Argumentation in SEGEGN ist aber natürlich umkehrbar: Wozu soll ich durch F Kie-Hol England und Frankreich verärgern (die sich nun mit mir wegen Bel unterhalten müssen), wenn ich durch Kie-Den Einfluß auf Rußland gewinnen kann? Wie wechsle ich überhaupt diplomatische Währung mit Rußland, wenn ich nichts anzubieten habe?


3.3 Es wird noch ärgerlicher. Um den diplomatischen und taktischen Einfluß von Kie-Hol vs. Kie-Den zu vergleichen, gehe ich in meinem Artikel von der Annahme aus, daß Deutschland in den meisten Fällen im Winter 1901 eine Einheit in Den und eine in Hol stehen hat. Meine Rechnung war, daß es rein mathematisch von Vorteil ist, die Flotte in Den stehen zu haben, und die Armee in Hol (Die F Den/A Hol kann auf drei Provinzen mehr Einfluß ausüben als A Den/F Hol - Einfluß sicher auch im Sinne von obigem Ratschlag aus SEGEGN).

Kritik von SEGEGN ist nun, daß diese Mathematik, angewandt auf andere Züge, jegliche Einnahme von Por und Spa verhindern würde, da die Einheiten dort an Einfluß verlieren. Ich denke, Markus und Dietmar verstehen, warum es unzulässig ist, Mar-Spa mit meinen mathematisch untersuchten Beispielen zu vergleichen. Falls sie es verstehen, ist ihre Argumentation nur ein weiterer plumper, argumentativer Untergriff. Falls sie aber tatsächlich nicht verstehen, erkläre ich es gerne noch einmal (und entschuldige mich für den Vorwurf des Untergriffs - so oder so, das Niveau ihrer Kritik leidet erneut).

Bei der Frage Kie-Hol oder Kie-Den werden zwei Szenarien untersucht, in denen Deutschland jeweils Hol und Den erobert. D hat also immer eine Einheit in Hol und eine Einheit in Den stehen. Die einzigen Unterschiede sind:
a) Welches der Gebiete ist früher besetzt, und
b) In welchem der Gebiete habe ich eine Flotte und in welchem eine Armee stehen.

a) ist die Frage, ob mir früher Einfluß auf Bel oder auf Swe wichtiger ist,
b) ist die Frage, wo meine Armee und wo meine Flotte besser positioniert ist. Der Unterschied zwischen Flotten und Armeen in Küstengebieten ist allerdings nur, daß beide Einheiten verschiedene angrenzende Provinzen betreten können (also unterschiedlichen Einfluß ausüben). Wenn ich also sehe, daß eine Flotte in Den auf vier Provinzen (Hel, Nth, Ska und Bal) mehr Einfluß hat als eine Armee dort, dann ist das für mich ein Argument für F Kie-Den und gegen A Ber-Kie-Den.

Nicht nachvollziehbar ist es, die obige Argumentation auf die Frage "Mar-Spa oder Mar-Bur" anzuwenden. Hier geht es um mehr als die Frage nach der einflußreicheren Einheit in Spa. Eine Rolle spielt etwa, daß Spa ein VZ ist, Bur nicht. Oder daß Bur auch durch die A Par gesichert werden kann, etc. Richtig wäre es hingegen folglich, das mathematische Prinzip z.B. auf die Frage anzuwenden: "Ist es besser eine Flotte oder eine Armee in Spanien stehen zu haben?" Ist das so schwer nachvollziehbar? Wieder habe ich das Gefühl, daß hier ohne viel Nachzudenken einfach drauflos kritisiert wird, um überhaupt Kritik zu üben.


4. Replik zu F Sev-Rum

4.1 Ich bin mir mit Markus und Dietmar offenbar einig, daß Sev-Rum im Frühling 1901 ein ziemlich miserabler Zug ist. Insofern gibt es auch nicht viel zu erwidern, die vehemente Kritik von SEGEGN läßt hier merklich nach, beinahe laufen die Autoren auch Gefahr, mir in diesem einen Punkt Recht zu geben. Aber ah, ganz so billig geben sie es dann doch nicht, und fast kommt mir vor, als soll auch hier unter allen Umständen Kritik geübt werden, unabhängig von der Sache. Deswegen wird die Suppe, die uns die Autoren von SEGEGN vorsetzen, hier auch besonders dünn.

Der Punkt z.B., wonach nach einem Sev-Rum im F 1901 Sev frei wird, um eine Flotte aufzubauen, kann nicht ernst gemeint sein. Sev-Rum gibt das Bla für Osmanien frei, und nachdem Bla an Sev grenzt, ist es schwer auszurechnen, ob der Sultan nicht vielleicht doch im Herbst Appetit auf Kaviar bekommt. Vielleicht, und dann ist es gut, Sev abzudecken - allerdings, wenn der Sultan dann nicht hineinzieht, kann man dort auch keine Flotte aufbauen, usw. Durch Sev-Rum ist ein Aufbau in Sev nicht automatisch gewährleistet, man erreicht maximal ein Ratespiel, in dem Sev zu 50% frei bleibt, und wahlweise entweder Rußland oder Osmanien mit 25%iger Wahrscheinlichkeit drin steht.


4.2 Neben einer R/T oder R/Ö-Kooperation sehen die Autoren von SEGEGN auch noch zwei andere Optionen für Rußland, die ich in meinem Artikel angeblich ausgespart habe. Die erste wäre das RÖT-Triple (eine Allianz, auf die ich nachweislich eingegangen bin, mit dem Hinweis, das sei die einzige konkrete Situation, in der Sev-Rum nicht unbedingt verheerend ist), die andere ein Bündnis mit Italien gegen Ö/T.

Tatsache, die zweite Allianz (R/I) habe ich ausgelassen. Einfach aus dem Grund, weil sich aus meinen bisherigen Statements ("F Rum ist schlecht wenn man gegen Ö ziehen will" und "Sev-Bla ist essentiell wenn man gegen Osmanien ziehen will") zwangsläufig ergibt, daß Rußland, wenn es gegen seine beiden unmittelbaren Nachbarn im Süden vorgeht, schon gar nicht Sev-Rum ziehen sollte. Ein Zar, der gegen Ö und T spielen will, und im Frühjahr 1901 Sev-Rum zieht, begeht einen großen Fehler (und erzähle mir niemand etwas von einer möglichen "Doppelbluff-Strategie" o.ä.).


4.3 Und wieder einmal vermischen die Autoren von SEGEGN in der Folge mehrere Szenarien. Die Frage, was macht die F Sev im Herbst 1901 (nachdem sie im Frühling gebounct hat) hat laut SEGEGN zwei mögliche Antworten:

a) Sie bounct erneut (dann wird laut SEGEGN nichts aus einem Bündnis mit Osmanien), oder
b) Sie bounct nicht (dann hat Osmanien angeblich leichtes Spiel gegen Rußland).

Ja, was denn nun, soll der Sultan ein Verbündeter sein, oder nicht? Auf diese Art und Weise lassen sich ALLE Züge kritisieren. Beispiel: Mun-Bur ist schlecht, so wird nie etwas aus einem Bündnis mit Frankreich. Mun-Ruh ist schlecht, denn wenn der Franzose dann angreift, ist Deutschland offen. Was soll der arme Kaiser denn nun machen? Das kann keine ernsthafte Argumentation sein!

Es ist außerdem nicht einzusehen, warum ein Bla beherrschendes Osmanien im Herbst 1901 leichteres Spiel mit Rußland haben soll als ein Osmanien, das Bla bereits im Frühling genommen hat (dank Sev-Rum). SEGEGN widerspricht sich hier selbst, und liefert unfreiwillig den besten Grund für die Unsinnigkeit von Sev-Rum: Laßt den Osmanen im F 1901 nicht ins Bla, das bekommt Mütterchen Rußland gar nicht!


4.4 Noch viel mehr wundert mich aber die Aussage, nach der laut SEGEGN eine F Rum einem R/T-Aufmarsch gegen Ö nicht im Weg ist.

Im Beispiel hier habe ich eine typische Situation auf dem Balkan nach Winter 1901 konstruiert, in der Rußland eine F Rum hat. Ich verstehe nicht, warum diese Flotte dem Aufmarsch gegen Österreich NICHT im Weg stehen soll. Ich lade Markus und Dietmar ein, mir ein Set von osmanisch/russischen Zügen zu schicken, das Erfolg verspricht. Es läßt sich keines finden, wie ich vorweg nehmen möchte. Wir sehen hier nämlich praktisch das Musterbeispiel einer taktischen Fehlpositionierung. Die Details: R/T haben drei Einheiten an der österreichischen Grenze, damit kommen sie gegen die fünf österreichischen Einheiten natürlich nicht an. Bemerkenswert ist allerdings, daß Österreich keinen einzigen (!) Supportbefehl abgeben muß, um die Stellung zu halten. Ein furchteinflößender Truppenaufmarsch sieht anders aus...

Aber es kommt noch besser: R/T müssen sowohl Rum als auch Gal und Bul mit jeweils einer weiteren Einheit absichern, da Österreich sein ganzes Potenzial in die Offensive werfen und Rum, Gal oder Bul angreifen könnte. (Wir erinnern uns: Keine einzige österreichische Einheit muß zum Halten abgestellt bzw. gehalten werden!). Und weiter: Auch wenn R nach Boh und T nach Aeg vorgedrungen sind, kann Österreich immer noch mit Leichtigkeit (nämlich mit vier Einheiten!) gehalten werden, sollte Italien nicht intervenieren. Hier wird nichts aus "Ö [wird] im Handumdrehen von gemeinsam operierenden russisch-türkischen Truppen weggefegt", wie in SEGEGN zu lesen steht, hier ist ganz im Gegenteil das große Halten angesagt. Wann immer ich als Österreicher einem osmanisch-russischen Bündnis gegenüberstehe, ist das erste, was ich mir wünsche, eine F Rum. Erzähle mir also noch einer, eine F Rum stehe einem erfolgreichen Aufmarsch gegen Ö nicht im Weg, und sei in Rum besser aufgehoben als in Sev. Als Zar ist mir ziemlich egal, wo genau meine südliche Flotte vermottet - in Rum sollte sie aber ganz bestimmt nicht stehen!

Und ich warte immer noch auf ein konstruiertes Szenario, in dem Sev-Rum zumindest eine gleichwertige Alternative zu Sev-Bla darstellt. Als Preis stifte ich ein gemütliches Wochenende in Wien (mit Diplomacy-Event) bzw. den großen Sebastian Beer Anerkennungspreis für innovative Strategen als Pokal zum auf den Kamin stellen oder Sekt daraus trinken.


5. (Fast) ohne Worte

Alles in allem finden sich in SEGEGN Scheinargumente, unhaltbare Argumentationsketten und argumentative Untergriffe, die sich bei genauem Hinsehen in der Mehrzahl als nicht haltbar erweisen, drapiert unter dem Mäntelchen der Sorge um arglose Newbies, die nicht in der Lage sind, einen Artikel differenziert zu konsumieren. Es mag berechtigte Kritik an meinem (zugegebenermaßen) ein wenig provokanten Artikel geben; in SEGEGN wird diese aber nicht auf einen haltbaren Punkt gebracht. Ich bin ehrlich bereit, meine Meinung in dem einen oder anderen Punkt zu überdenken. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, daß es in SEGEGN um die sachliche Analyse eines Artikels geht. Sollte es dennoch das Anliegen von Markus und Dietmar gewesen sein, meinen Artikel ernsthaft und fair zu kritisieren, haben sie ihrer Sache einen Bärendienst erwiesen.

Abschließend möchte ich bemerken, daß im Halbfinale der diesjährigen DM 2003 von Spielern, die sicher nicht zu den größten Stümpern im deutschsprachigen Raum zählen, in sämtlichen sieben Partien im F 1901 folgende Züge abgegeben worden sind:

F Lon-Eng: 1 mal.
F Kie-Hol: 2 mal.
F Sev-Rum: 0 mal.

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