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Erlebnisbericht von der DipCon IV
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von Uwe Koglbauer
 

Die Bewegung, die den lärmenden Wecker Einhalt gebot, war automatisiert. Auch das folgende laute Ausatmen ließ nichts Ungewöhnliches erahnen. Doch etwas war anders heute - es war dunkler, kälter, irgendwie zäher, trotz Starre im Raum. Der Blick auf das fluoreszierende Ziffernblatt verriet mehr: auch, warum die beiden Kater nicht gleich losjaulten, als ob ihr Magensaft schon beim eigenen Fell angelangt sei, nur der langen Abstinenz des Verdauens wegen. 4 Uhr 20, DIPCON im 800 km fernen Waldkappel.

So, nun ein klein bißchen schneller, soll ja kein Buch werden. Kaffeemaschine angeworfen, Morgentoilette (englisch und deutsch :-)) und anschließend Michi, meinem Reisepartner, die Türe öffnen. Noch gemütlich den Kaffee schlürfen und Abfahrt von Wiener Neustadt um 5.30 Uhr. Die folgenden zehn Stunden waren recht unterhaltsam und unproblematisch. Nur ein mir wichtig erscheinender Tip für Nachahmer: Vergeßt nie, daß das Kaff Waldkappel-Gehrau heißt und nicht nur Waldkappel, denn in "nur" Waldkappel gibt's an langen Wochenenden 80 Prozent Gäste (statistische Auswertung MF & UK: 4 von 5 Befragten antworteten auf die Frage "Wo ist bitte..." mit "Tut mir leid, ich bin auch nur Gast.") So trudelten wir gegen 15.30 Uhr ein. Die Orga und somit das Empfangskomittee war nicht zu verfehlen, und so wurden wir freundlich begrüßt und bekamen unser Zimmer. Mein Kumpel und ich verstauten unser Gepäck und okkupierten das Doppelbett aus reinem Egoismus. Es wären noch zwei Einzelbetten frei gewesen, aber da wir nicht wußten, wer noch kommt, schlußfolgerten wir, daß es besser sei, uns zusammenzulegen, so daß nicht zwei, die sich nicht kennen, sich die ganze Nacht gegenseitig beobachten, beatmen, besabbern, aufwecken, schimpfen, prügeln... unabhängig von der Reihenfolge.

Zurück in die Gemeinschaftsräume bzw. vor allem in die Raucherecke im Freien. Erstes Beschnuppern ist angesagt, nervös wirkendes Hin- und Herschauen zwischen den Namenskärtchen (von denen jeder eines bekommen hat) und dem dazugehörenden Gesicht. Ich entdecke den ersten bekannten Namen, das Gesicht überrascht. Wie alt ich auch werden mag, immer wieder ertappe ich mich dabei, daß mir meine Fantasie ein Bild malt, ohne auch nur einen korrekten Bildpunkt zur Verfügung zu haben. Wir stellen uns vor, und schon plaudern wir über unsere laufende Dippy-Variante. Gemeinsame Ziele werden entdeckt, die Sympathie ist trotz der kurzen Gesprächszeit groß und schon beschließe ich, das bestehende Bündnis gegenüber den anderen zu intensivieren. Daß mir das ganze noch mit allen anderen Mitspielern aus dieser Partie (von der vier plus dem dazugehörigen Spielleiter dort waren) an diesen Wochende passierte, trieb mich am folgenden Montag vor meinem E-Mail-Programm wieder in die Verzweiflung, aber Dippy soll ja nicht einfach sein, oder? Jedenfalls war dieses Treffen resümierend einer der vielen Höhepunkte auf dieser Con für mich; plaudern über eine PbEM-Partie und paranoides Herumkucken, ob man vielleicht nicht doch beobachtet wird und Zuhörer hat, ist nicht alltäglich.

Ein gemeinsames, reichliches Abendessen hielt mir noch kurz die Spannung vom Leib, und schon war der ersehnte Zeitpunkt gekommen. Das Turnier, das mir einige Fragen im Vorfeld auftat, die erste Deutsche Diplomacy-Meisterschaft, wurde ausgelost. Da ich aus dem Lager der Schachspieler komme, hat das Wort Turnier für mich eine eigene Bedeutung. In einem Brainstorming kämen mir sofort Wörter wie Kampf, Ehrgeiz, Sieg und Anspannung in den Sinn. Es war schwierig für mich, mir im Vorfeld ein Dippy-Turnier vorzustellen. Ich dachte, es wird sicherlich anders ablaufen als eine normale FTF-Partie, und ich sollte nicht enttäuscht werden.

Schon die Auslosung war spannend. 45 Leute warteten gebannt, ob ihr Name vorgelesen wird. Erwartunglos dachte ich: "Nur nicht Deutschland". Natürlich ging das daneben, ich durfte gleich in der ersten Partie mit dem ungeliebten Land spielen. Auch von mir mit Vorschußlorbeeren bedachte Spieler waren in dieser Partie. Eine Erfahrung, die mich überraschte, war, daß Spieler, die per E-Mail stark spielen, auch bei FTF meist sehr gut sind. So waren die Spieler, die ich von meinen Beobachtungen auf dem Ludoserver (das soll nur minimale Werbung sein für mein bevorzugtes Dippy-Portal) als gute Spieler einstufte, auch größtenteils im Abschlußranking vorne zu finden. Jedenfalls begann die erste Turnierpartie und - glaubt es, oder noch besser, probiert es aus - Turnier-Dippy ist Streß und Spaß pur und stellt eine unglaubliche Bereicherung in einem Diplomacyspieler-Leben dar. Wer noch nie unter Zeitdruck verhandelt hat, sollte es wirklich ausprobieren. Das Feeling packt dich von erstem Moment an bis zum Schluß der Partie. Ich gebe zu, das ist kein großer Unterschied zu einer normalen FTF-Partie, aber ich kann den Unterschied leider nicht in Worten ausdrücken. Es ist subjektiv, aber dafür für mich definitiv in jeder Partie ein anders laufendes Spiel als ein "normales" FTF. Für mich beschreibt die unterschiedlichen Meinungen im Nachhinein der ersten Partien am besten den Unterschied zu den vorherigen Cons, bei denen ich leider nicht dabei war.

Während es für mich eine sehr reizvolle Variante darstellt, wurde andererseits doch über einen sehr harten, auf eher kurzfristigen Vorteil bedachten Spielverlauf lamentiert. So wurde ungefähr ab der fünften Stunde, mit der Formel zur Berechnung der Punkte im Kopf, jedes VZ des derzeitigen Partners zu einer großen Versuchung, der meistens auch nicht widerstanden werden konnte. Jedenfalls sollte meiner bescheidenen Meinung nach jeder, der Diplomacy mag, einmal so ein Turnier ausprobieren. Es ist auch keine Überraschung für mich, daß es Leute gibt, die nur Turniere spielen, da ihnen bei einer PBeM-Partie der Spaßfaktor Zeit einfach fehlt. Daß mit großem Einsatz um den Titel gekämpft wurde, bestätigt ein Wermutstropfen in der letzten Runde. Daß ein Favorit in der letzten Runde nicht mitspielen konnte, weil er verschlafen hatte (was auf die gut funkionierende und allseits ausgiebig genutzte Abendgestaltung hinweist ;-)), war für ihn verständlicherweise eine persönliche Enttäuschung. Allerdings unterstreicht das den entstehenden Ehrgeiz auf den Titel des Deutschen Diplomacy-Meisters, denn der olympische Gedanke bzw. "möge der Beste gewinnen" ist neben der eigenen Siegchance oft zweitrangig.

Ein weiterer und somit für mich schon der letze Kritikpunkt, den ich hörte (aber als solchen nur minimal erlebte), ist, daß bei der Größe eines Treffens die Disziplin leidet. Die anfallenden Arbeiten im Tagungshaus, wie zum Beispiel das Tischdecken oder die Beseitigung des entstandenen Mülls, werden naturgemäß ungleichmäßig aufgeteilt, sprich manche arbeiten nicht mit. Ich denke, es reicht, wenn diejenigen, die das lesen und sich ertappt fühlen, das nächste Mal ein bißchen solidarischer agieren und sich nicht einfach sprichwörtlich schnurstracks über die vollen Schüsseln stürzen.

Hm, ich denke, das ganze hier ist schon ausführlich genug, also schnell zurück zum Turnier. Die Partie mit Deutschland lief überraschend gut und dank ihr verfehlte ich im Endeffekt nur äußerst knapp einen Pokal. Auch die zweite Partie lief nicht schlecht, und so konnte ich trotz einer Elimination in der dritten und letzten Runde den für mich guten zehnten Rang im Endklassement belegen. Wann ist man als Rookie schon einmal einen Platz vor einen amtierenden Weltmeister? Ein gut geplantes Highlight war am Samstagabend die Gründung des Deutschen-Diplomacy-Bundes. Der Grundstein für viele weitere, hoffentlich erfolgreiche Turniere wurde gelegt. Interessant fand ich, welche Meinungsverschiedenheiten bei einer Gründung auftreten können, doch auch hier konnten die beteiligten Orga's durch gute Vorarbeit und Engagement glänzen. An dieser Stelle einmal großes Lob und Dank für die Zeit und die Ernsthaftigkeit, die ihr Ludo-, DEAC- und DDB-Macher investiert, um uns jederzeit den Genuß dieses Spieles zu ermöglichen.

Resümierend möchte ich feststellen, daß ich trotz der beachtlichen Größe der Con und des Turniers eine sehr familiäre Atmosphäre vorfand. Ich habe viele Freunde gewonnen und ein wirklich tolles Wochende verbracht. Großen Dank an die Spieler, die die Con zu der fabelhaften Zeit für mich machten, und noch einmal extra ein großes Lob und Dankeschön an die Organisatoren der Con. Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Treffen.

Seht es als Bestätigung für eure tolle Arbeit : Ich reise zwar zum größten Stauwochende Deuschlands sicher nicht mehr mit dem Auto an, aber trotz insgesamt 23 Stunden Reisezeit... ich komme wieder!

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