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Spielesteuer für Diplomacy?

Kommt jetzt die Spielesteuer für Diplomacyspieler? Was will unsere Regierung? Unheimliches braut sich da zusammen. Trotz allen Ernstes – die Zeichen stehen auf Sturm. Hier unser Bericht.

Das war ja zu erwarten: nach der Streichung der 1 Euro Jobs, nach der Verdoppelung der Tabaksteuer, die Gerüchte um die neue „Coffeinabgabe“, dann Rösners Verbot des Kaffeetrinkens in geschlossenen Räumen, nach der Einführung der Lexussteuer - zum Schutz der heimischen Automobilindustrie, auch wenn sie nur Anwendung findet für Kraftfahrzeuge über 4000 ccm Hubraum, nach der Einführung der Pkw Maut für alle Bundesautobahnen und alle Bundesstrassen macht die Regierung auch vor dem letzten Tabu nicht halt, der Besteuerung des Privatvergnügens. Zum Entsetzen aller Redaktionsmitglieder erfuhr die Redaktion, dass auch das Diplomacyspiel teil dieses grausamen Szenarios ist und unter die „steuerpflichtigen“ Spiele fallen soll. Sofort wandten wir uns an den zuständigen Minister und baten um ein Gespräch. Und zu unserer Überraschung wurde es uns gewährt. Hier die Freigabe des Protokolls:

Ludo: Herr Minister, das Kabinett hat in der vergangenen Sitzung allen Ernstes das Privatvergnügenabgabepaket geschnürt und verabschiedet. Was hat es damit auf sich?
Dr. Abstäuble: Also wissen Sie, wir leben in einer schwierigen Zeit, unser Land ist noch lange nicht aus der Krise heraus, und da heisst es auf gut schwäbisch schaffe, schpare, und nochemel schpare. Wir machen das ja nicht zu unserem Vergnügen!
Ludo: Ach ja? Wie soll denn die Spielesteuer aussehen? Warum auch für Diplomacy? Das gibt doch alles keinen Sinn!
Dr. Abstäuble: Nun, wir sind eine gewählte Regierung, und noch haben wir die Mehrheit. Das verpflichtet! Und unsere Wähler wollen einen ausgeglichenen Haushalt. Da das allgemeine Steueraufkommen zurückgeht, müssen wir eben an die versteckten Reserven. Und das sind nun mal Dinge, deren Besteuerung man bis zum Schluss aufschiebt, Alkohol, Coffein, Luxus, freizügiges Fahren und auch der Freizeitbereich.
Ludo: Was erhoffen sie sich von der Spielesteuer?
Dr. Abstäuble: Der Mensch spielt gern. Da gibt es zwangsläufig Gewinner und Verlierer. Sozusagen einer auf Kosten des anderen. Das ist zwar nach unserer Verfassung nicht verboten, aber da müssen wir ausgleichend eingreifen, und am einfachsten geht das mit Steuern. Wer auf Kosten anderer geniesst, soll dafür der Gemeinheit einen Tribut zahlen. Das ist nicht unfair, sondern höchst gerecht.
Ludo: Und wie soll das in der Praxis gehen?
Dr. Abstäuble: Das System dafür ist, das sage ich ihnen, lächerlich einfach, um nicht zu sagen einfach lächerlich – der steuerbare Bürger erwirbt eine Spieleplakette, die er sichtbar für andere bei sich anbringt, für 1 Jahr, für 6 Monate, oder auch nur für ein Spielewochenende, ganz nach Geschmack. Wir bieten da individuelle Lösungen für jeden an. Ein komplettes Jahr kostet 120 EURO, das ist weniger als eine Hausratsversicherung. Also muss der Durchschnittsbürger auch gar nicht mal weiter darüber nachdenken. Das kann er leisten. Ein Fussballticket am Samstag im Stadion kostet nicht viel weniger, Elton John oder Hansi Nachhintenseher verlangen mehr.
Ludo: Und warum soll Diplomacy unter diese Regelung fallen? Dieses Spiel ist in einigen Bundesländern bereits als Unterrichtsmittel zugelassen, selbst Psychotherapeuten empfehlen dieses Spiel für die eigene Ausgeglichenheit. Das kann man doch nicht besteuern!
Dr. Abstäuble: Oh doch, besteuern kann man alles, das können sie glauben. Und ob sie es glauben oder nicht, das bringt einige Millionen. Und dabei helfen wir ihnen sogar noch, dass das Spiel populär wird, was ihre Community und ihr Bund oder wie diese Veranstaltung da heisst ganz offensichtlich nicht leisten können oder wollen. Sie sollten uns dankbar sein.
Ludo: Wie denn? Die Verunglimpfung unserer nichtkommerziellen Vereinigung wollen wir an dieser Stelle schon mal scharf zurückweisen. Die strengen sich wirklich an, die Jungs!
Dr. Abstäuble: Ja ja. Aber darauf können wir ja später eingehen. Wir machen das so: jeder spielfähige Bürger ist per Gesetz automatisch steuerpflichtig, es wird ihm quasi unterstellt, dass er gelegentlich spielt. Will er den Jahresbeitrag nicht, der ihm vom Steuerkonto abgebucht wird, so muss er konkret einen kürzeren Zeitraum wählen und bezahlen, was einen gewissen Aufwand erfordert: Formulare, komplizierte Bankverbindungen, Rückfragen. Das werden sich viele überlegen, zumal man sich des Spieles ja nicht aus steuerlichen Erwägungen verschliessen will, sie sehen das an anderen Genussarten. Wir werden das Spielen jedenfalls sehr genau kontrollieren. Unser Datenschutzgesetz ist dafür bereits vorbereitet. Sie werden sehen, das funktioniert. Und dann gilt da neben dem Verhaltensautomatismus auch das vielzitierte Kartoffeltheorem - jetzt sind die Kartoffeln da, jetzt werden sie auch gefressen, will sagen: jetzt hat man die Steuer zu bezahlen, jetzt nutzt man auch das Angebot. Da werden sich viele überhaupt erstmalig mit ihrem Spiel beschäftigen und es, wenn denen ihre Plattform es nicht verleidet, schnell ausprobieren. Es ist ja nutzbar im bereits besteuerten Vergnügen, sozusagen schon „bezahlt“. Einen grösseren Gefallen könnten wir ihnen kaum tun. Das ist wahre Gesetzeskunst.
Ludo: Das sieht alles ziemlich gekünstelt aus.
Dr. Abstäuble: Sie müssen das im Kontext sehen. Wir wollen zwar die Steuer, wir sind aber im Gegenzug auch zu Steuererleichterungen bereit. Die Fahrtkosten zur Spielstätte, die Spielerkleidung, die Internetkosten, das Modem, all das kann als Aufwand steuermindernd abgesetzt werden. Fahren sie auf ein Face to face Event, schreiben sie die Fahrtkosten pro gefahrenen Kilometer und die Übernachtungskosten ab. Haben Sie einen Unfall auf dem Weg zur Con, falls sie diese überhaupt zu organisieren in der Lage sind, so sind die Reparaturkosten abzugsfähig. Das gilt sogar für mitgeführte Spiele, die beschädigt werden, zum Wiederbeschaffungs- oder Zeitwert. Mit dieser Quasi-Einkunftsart können sie negative Zuflüsse schaffen, die ihnen bei anderen Einkunftsarten – zum Beispiel beim Kauf einer Immobilie – in Form von Verlusten schafft. Mit diesem genialen Paket holen wir die absolute Mehrheit, das sage ich ihnen.
Ludo: Wir wollen das für unsere Leser genau festhalten – wenn ich zur Con nach Hamburg fahre und dabei einen Unfall habe, so kann ich die Kosten der Reparatur in meiner Steuererklärung angeben?
Dr. Abstäuble: Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass die Con in Hamburg stattfindet – wir haben jetzt Ende April, die Veranstaltung war für Ende Juni ausgerufen, bisher ist nichts passiert, der Event scheint ein wenig an Berlin zu erinnern, genau wie deren Website, die trotz Nachfrage immernoch auf dem Stand von Januar 2010 ist und ehemalige Zuständige auflistet, na ja, mir kanns egal sein, da das unser Steueraufkommen nicht beeinträchtigt, wenn sie verstehen was ich meine, ich hoffe für sie, dass hier für Hamburg nicht das Sprichwort gilt „Ausser Spesen nichts gewesen“ (lacht). Ansonsten haben sie recht.
Ludo: Die Nutzung des Diplomacy Spiels scheint ja ganz gut in unser Steuersystem hineinzupassen, das sehe ich jetzt auch. Haben Sie für die Prominenz auch steuerliches Entgegenkommen, zum Beispiel Steuergeschenke?
Dr. Abstäuble: Aber ja, wir sind doch eine soziale Partei. Mitglieder des Rats der Weisen und andere Spieleorganisationsverbürokratisierungsfunktionäre können erhöhte Abschreibungen geltendmachen, damit ihrem unverhältnismässig grossen Aufwand und ihrem Einsatz für die Community Rechnung getragen wird. Jahreshonorare im 5stelligen Bereich, Bewirtungs- und Verhandlungsaufwand, aber auch der Beratungsaufwand untereinander bei Regelentscheiden wird bis zu einem Betrag von 1 EURO per aufgewendeter Sekunde ohne Beleg und Nachprüfung pauschal anerkannt, sofern er glaubwürdig vorgetragen wird. Als zuständiger Minister auch für die Verleihung von Orden und Ehrenzeichen liegen mir Nominierungsvorschläge für einige Mitglieder seit kurzem vor, die wir wohlwollend bewerten wollen, sozusagen im Sinne der Allgemeinheit. Sehen Sie mir nach, wenn ich die Namen nicht genau erinnerlich habe, aber ich glaube, es handelt sich um so verdiente Persönlichkeiten wie Dirk Al-Tator Hammam, Christian Fanggenau, J. Geier und J. Fiesling. Hoffentlich habe ich jetzt keinen vergessen. Da müsste ich jetzt aber genauer nachsehen. Soll ich?
Ludo: Nein, bitte nicht!
Dr. Abstäuble: Wie sie wollen.
Ludo: Ich muss sie aber an dieser Stelle korrigieren. Unsere VIPs heissen Dirk Gutmensch, Christian Ganzgenau , Jan Befreier und Julian Liebling. Aber zurück zum System: Respekt, ein perfektes System, so richtig nach unserem deutschen Gout. Gibt es auch steuerliche Anreize?
Dr. Abstäuble: Oh ja, auch an sie haben wir gedacht. Wir haben hier die Idee der Sozialpunktevergabe aufgenommen, die bei ihnen fruchtlos ihr Dasein fristet. Wer sich sozial engagiert, andern bei der Steuererklärung hilft, zum Beispiel als Spielleiter, erhält Sozialpunkte. Ebenso, wer Artikel für Ludomaniac verfasst – hier nutzen wir geschickt das Bedürfnis der Menschen aus, sich „ausdrücken“ zu wollen, sich mitzuteilen. Ein Artilel für die Ludowebsite – schon sind 100 Sozialpunkte verdient. Wer Varianten erfindet, bekommt Soziale Zusatzpunkte. Einfacher gehts nicht. Sie werdeh sehen - das motiviert! - Allerdings: Hat man einmal seinen ZAT verpennt, wird ein NMR verhängt, und es wird die sofortige Vollziehung angeordnet. Vor der Vollstreckung rettet dann – auch das finden wir sozial - nur eine Überweisung vom Sozialpunktekonto, sofern man welche angespart hat, das auch verzinst wird.
Ludo: Sie verhängen auch NMRs?
Dr. Abstäuble: Klar, wir kennen doch unsere Pappnasen, verzeihen sie den Ausdruck. Wer seine Steuererklärung einmal zu spät abgibt, erhält einen NMR, die gelbe Karte sozusagen, wie beim Fussball. Wir müssen doch Rücksicht nehmen auf die sonstigen Steuerpflichtigen. Die erwarten doch Pünktlichkeit und wären klar in ihrem besteuerten Vergnügen beeinträchtigt. Beim zweiten NMR wird der Steuerpflichtige dann ohne Bewährung gesperrt!
Ludo: Heisst das, dass er gar keine Steuern mehr zu bezahlen braucht?
Dr. Abstäuble: Jein! Würde ich sagen. Er bekommt einfach nichts mehr zurück.
Ludo: Aber das könnte man doch gut verkraften (grinst)!
Dr. Abstäuble: Nicht, wenn wir das gesamte Einkommen einbehalten. Da staunen sie, was?
Ludo: Herr Dr. Abstäuble, wir danken für das Gespräch.

- C. Reichardt, 19.04.2011

 

 
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