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Kriegsschauplatz-übergreifende Bündnisse
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von Cal White

ÜBERSETZT VON TIMO MÜLLER
 

Es gibt viele Artikel, die Eröffnungen auf dem Diplomacy-Spielbrett behandeln. Manche versuchen sogar, auch das Mittelspiel zu analysieren, in dem schon ein oder zwei Länder ausgeschieden sind. Dieser Artikel führt weiter und behandelt auch das Endgame, einen Bereich, in dem bisher erst wenige Nachforschungen vorgenommen wurden.

Genaugenommen kann das Diplomacy-Spielbrett in zwei "Kriegsschauplätze" oder "Einflußsphären" aufgeteilt werden. Der westliche Schauplatz umfaßt England, Frankreich und Deutschland, der östliche Rußland, Österreich und die Türkei. Italien, das in beide hineinpassen würde, wird allgemein zum östlichen gerechnet. Zu Beginn des Spiels ist es für jedes Land wichtig, mit den anderen Mitgliedern seiner Gruppe zurechtzukommen. Da sie die engsten Nachbarn sind und einen schon zu Beginn, wenn man noch schwach ist, in Bedrängnis bringen können, zahlt es sich nicht aus, sie zu ignorieren. Es ist allerdings ein großer Fehler, anzunehmen, das sei alles, was man zu Beginn und im Mittelspiel zu tun habe. Der Rest des Spielbretts ist genauso wichtig und man muß die Entwicklungen anderswo entsprechend beachten.

Im Diplomacy ist das Hauptziel, mit einer ausreichend großen Angriffskraft und einer möglichst guten strategischen und taktischen Position ins Endgame vorzudringen. Als Endgame wird im Allgemeinen diejenige Phase betrachtet, in der mindestens drei Länder ausgeschieden sind oder keinen Einfluß mehr auf den Spielverlauf nehmen können. In dieser Phase wird es wahrscheinlich einige Länder geben, die eine größere Macht daran hindern wollen, die letzten zwei oder drei VZ zu erobern, oder mehrere mittelgroße Möchte (ca. 10 VZ), die sich jeweils in die beste Position bringen möchten.

Um das Endgame in guter Verfassung zu erreichen, braucht man einen Gesamtplan, und damit meine ich einen, der das gesamte Spielbrett umfaßt. Bei jeder Handlung, die man ausführt, egal ob militärisch oder diplomatisch, muß man in Erwägung ziehen, wie sie jedes einzelne Land auf der Karte betreffen wird, und zwar nicht nur jetzt gerade, sondern auch später. Man darf nicht vergessen, daß man durch die Stärkung eines Landes - sei es das eigene oder das eines Verbündeten - Auswirkungen quer über das Spielbrett hervorruft.

Eine genauere Betrachtung erweist, daß in beinahe jeder Endgame-Situation die beiden gegnerischen Mächte bzw. Bündnisse aus unterschiedlichen Kriegsschauplätzen stammen. Das liegt daran, daß die Länder der beiden Schauplätze zuerst gegeneinander um das Überleben kämpfen, und daß das siegreiche Land bzw. Bündnis es danach mit dem siegreichen Land bzw. Bündnis aus dem anderen Schauplatz aufnimmt. Der Sieger dieser Schlach wiederum (der im Allgemeinen auch der Gewinner des Spiels ist) ist derjenige, der seinen eigenen Kriegsschauplatz zuerst unter Kontrolle gebracht hat. Wenn beide Mannschaften bzw. Spieler ungefähr gleichzeitig in der Lage sind, einen Angriff über den eigenen Schauplatz hinaus zu starten, was oft geschieht, kommt dabei wahrscheinlich eine Stalemate Line heraus. Sofern es keinen Stab gibt, wird das Spiel dann mit einem Dreier- oder Viererdraw enden.

Eine der besten Möglichkeiten, einen solche Draw zu vermeiden, ist es, die eigenen Einheiten irgendwie über die wichtigsten Stalemate Lines zu bringen, besonders über diejenige, die von St. Petersburg über die Schweiz nach Spanien reicht. Der einfachste Weg, dies zu tun, ist ein Bündnis mit einem Land aus dem anderen Kriegsschauplatz. Da du und dein Verbündeter dann auf unterschiedlichen Seiten der Stalemate Line sind, könnt ihr durch sie nicht aufgehalten werden. Eine Nebenwirkung ist die geringere Stab-Gefahr, da ihr beide einen eigenen Expansionsraum habt. Die Frage ist nun: Wen wähle ich als Bündnispartner auf dem anderen Kriegsschauplatz? Die Antwort darauf ist nicht so schwierig, wie man meinen könnte.

Jede der vier Eck-Mächte hat ihr Gegenüber. Englands Gegenüber ist die Türkei (und umgekehrt), und Frankreichs Gegenüber ist Rußland (und wiederum umgekehrt). Wenn Frankreich stark ist, bedeutet das wahrscheinlich, daß England oder Deutschland nicht allzu gut dastehen. Indem es eine dieser beiden Mächte mit Auslöschung gedroht hat, hat sich Rußland wahrscheinlich auch gut entwickelt. Auf ähnliche Weise bedeutet eine starke Türkei ein gutes England, da dieses Rußland mit Auslöschung drohen konnte. (Dies wurde seitdem als "Wicked Witch"-Theorie bekannt, A.d.Hg.; Das Märchen-Stereotyp der "bösen Hexen" spielt hier auf die Bezeichnung der Eckmächte England und Türkei als "Hexen" an, A.d.Ü.) Die Zentrumsmächte haben ebenfalls ihre Gegenüber, vielleicht nicht so deutlich, aber es gibt sie nichtsdestotrotz. Ein gutes Italien bedeutet beispielsweise oft ein starkes England, da es wahrscheinlich ist, daß Frankreich erfolgreich angegriffen wurde. Ähnliche Beziehungen gibt es zwischen England und Österreich (schwaches Rußland), Frankreich und Österreich (Ärger für Italien und Deutschland), Deutschland und die Türkei (schwaches Rußland) sowie Rußland und Italien (schlecht für Österreich und die Türkei). Aber man muß sich natürlich vor Augen halten, daß keines dieser Paare für harte und feste Gesetze stehen, sondern eher nützliche Faustregeln darstellen.

Wenn man zu entscheiden versucht, wen man als Bündnispartner aus dem anderen Kriegsschauplatz auswählen sollte, würde es folglich wohl Sinn ergeben, ein Land zu wählen, dessen Erfolg voraussichtlich eigenen Erfolg bedeutet. Wenn man beispielsweise Frankreich spielt und sich zwischen Rußland und der Türkei entscheiden muß, sollte man die europaweiten Auswirkungen im Auge behalten. Erfahrungsgemäß bedeutet eine starke Türkei ein starkes England. Das heißt wiederum nichts Gutes für einen, wenn man gerade Frankreich spielt. Andererseits bedeutet ein starkes Rußland, daß weder England noch Deutschland große Ausdehnungsmöglichkeiten haben werden. Selbst wenn sie sich zusammenschließen (Frankreichs schlimmster Alptraum), sollte ein starkes Rußland ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Wahl eines Bündnispartners aus dem anderen Kriegsschauplatz ist, wenn man näher hinschaut, ziemlich offensichtlich. Man sollte als Bündnispartner dasjenige Land auswählen, dessen Erfolg dem eigenen helfen wird. In den meisten Fällen ist dieses Land das Gegenüber des eigenen Landes.

Das einzige Argument gegen die Theorie der kriegsschauplatz-übergreifenden Bündnisse ist die scheinbare Tendenz zum Zweier-Draw. Darin liegt tatsächlich ein Stückchen Wahrheit. Wenn man seinen Bündnispartner aus dem anderen Kriegsschauplatz im Endgame angreift, beschwört man damit möglicherweise genau das Problem herauf, das man eigentlich vermeiden wollte: eine potentielle Stalemate Line. Das kann ein Problem sein, aber in Verteidigung dieser Theorie sollte man darauf hinweisen, daß man durch die Zusammenarbeit mit dem Bündnispartner von Anfang an zwei Dinge sichergestellt hat, die den eigenen Sieg begünstigen.

Erstens hat man dadurch zwei oder drei kleinere Mächte eliminiert, die möglicherweise bis zum Ende überlebt hätten und dann zu machtlosen, aber entscheidenden Bestandteilen einer Stalemate Line geworden wären. Dies ist besonders wichtig, wenn man nach der DIAS-Regel spielt (Draws Include All Survivors, d.h. bei Draws werden alle überlebenden Mächte in die Punktevergabe einbezogen, A.d.Ü.) Je weniger Mächte am Ende des Spiels übrig sind - vor allem wenn die Entscheidung zwischen einem selbst, dem Bündnispartner aus dem anderen Kriegsschauplatz und einigen Mächten mit einem oder zwei VZ fällt - desto mehr VZ kann man durch einen Stab erreichen. Es ist viel einfacher, auf 18 VZ zu kommen, wenn man schon 15 oder 16 hat, als wenn man erst 11 oder 12 hat.

Zweitens vermischen sich die eigenen Einheiten und die des Bündnispartners im Verlauf des Spiels (geographisch) immer stärker, während man die übrigen Spieler ausschaltet. Wenn man sich dafür entschieden hat, den Stab durchzuziehen und auf Sieg zu spielen, sollte es nicht schwer fallen, ein oder zwei Einheiten in eine Position zu bringen, von der aus sie dem Bündnispartner die letzten nötigen VZ abnehmen können. Dies muß sehr subtil geschehen, da der Bündnispartner ansonsten Wind von den eigentlichen Absichten bekommen könnte.

Erfolg im Diplomacy ist wunderbar. Es kommt nicht nur darauf an, kleine Plastikklötze auf einem Brett herumzuschieben, sondern es erfordert klares und freies Denken, um zu sehen, was um einen herum geschieht und um die verschiedenen Persönlichkeiten und Charaktere, die hinter jedem Land stehen, richtig einzuschätzen. Derjenige Spieler, der all dies, zusammen mit einem Sinn für Strategie, kombinieren kann, wird gut abschneiden. Wer das Spiel scharfsinnig genug angeht, um das ganze Spielbrett einbeziehen zu können, wird überdurchschnittlich oft den Sieg einfahren.

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