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Das iberische Gambit |
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von Chris Warren
ÜBERSETZT VON WALTER HENKE
Die Chronik französischer Eröffnungen weist zwei als die mit Abstand häufigsten aus, beide beinhalten A Par-Bur und F Bre-MAt. Die erste ist die "Maginot"-Eröffnung mit A Mar S A Par-Bur, die zweite mit A Mar-Spa wird einfach "Burgundische Eröffnung" genannt. Beide Eröffnungen bieten Sicherheit vor einem deutschen Angriff aus München und machen es leicht, 1901 beide iberischen Versorgungszentren zu besetzen.
Die dritte Eröffnung ist durch A Mar-Spa, F Bre-MAt und A Par-Pic gekennzeichnet und unter dem Namen "Picardische Eröffnung" bekannt. Sie ist auf subtile Weise deutschfreundlich, da sie eine Absprache über Burgund nahelegt und den Franzosen gleichzeitig in Belgien ein Wörtchen mitreden läßt. Das kann eine sehr vorteilhafte Konstellation sein, ebenso wie deutsch-französische Allianzen, die zwar zu Spielbeginn schwer herzustellen sind, aber dafür im Endspiel eine hervorragende Stabilität gewährleisten und gleichzeitig die ungehemmte Ausdehnung Englands unterlaufen. Gleichwohl ist der französische Spieler im Herbst 1901 oftmals gezwungen, beim Kampf um Belgien seine Absichten offenzulegen.
Spätestens jetzt weiß England, welche Aufbauten für seine Verteidigung nötig sind, und die einsame französische Flotte auf der iberischen Halbinsel ist ganze zwei Jahre vom nächsten englischen Versorgungszentrum entfernt. Ich möchte mich für eine Eröffnung verwenden, die als "Gascogner Eröffnung" bekannt ist, die ich aber lieber "Iberisches Gambit" nennen will. Das Iberische Gambit beginnt mit A Par-Gas, F Bre-MAt, A Mar-Spa. Obwohl Burgund freibleibt, ist sie in defensiver Hinsicht nicht schwächer als die Picardische Eröffnung, da sie alle drei Heimatzentren deckt. Nichtsdestotrotz ist sie für gedeihliche deutsch-französische Beziehungen besonders geeignet. Im Herbst 1901 zieht A Spa weiter nach Portugal und A Gas nach Spanien, so daß beide iberischen Versorgungszentren besetzt werden und gleichzeitig die französische Flotte ziehen kann, wohin sie will. Antienglische Optionen sind die Züge in den Kanal, die Irische See oder den Nordatlantik, wobei ebenso die Möglichkeit eines Blitzkrieges gegen Italien besteht. Obwohl sie gegen Italien nicht so verheerend wirkt wie gegen England, ist die bloße Möglichkeit schon bedeutsam. Das heißt, daß das Iberische Gambit sowohl zu einer starken westlichen Dreierallianz mit England ausgebaut oder in einem Blitzkrieg gegen Italien angewendet werden kann, in dem England gegen Rußland gelenkt wird (am besten mit einer Flotte in der Barentssee im Herbst 1901). Mit einer schon in englischen Gewässern kreuzenden Flotte und einer weiteren in Brest (und womöglich einer dritten in Marseille) kann sich Frankreich schon früh einen Vorteil im Kampf um die britischen Inseln verschaffen.
Natürlich hat wie jedes "Gambit" [Ein Gambit bezeichnet im Schachspiel eine Eröffnung, bei der schon in den ersten Zügen ein Bauernopfer in Kauf genommen wird, um positionelle Vorteile zu erlangen, Anm.d.Ü.] auch dieses seine Risiken. Obwohl diese Eröffnung im Hinblick auf das Jahr 1901 genauso sicher ist wie die Picardische, ist sie nicht so stark wie die Burgunder oder Maginot-Eröffnung. Wenn Sie natürlich einen starken deutschen Verbündeten haben, ist das hoffentlich kein Problem. Was aber zum Problem werden kann, ist, daß Ihre beiden Armeen Neujahr 1902 in Spanien und Portugal feiern. Nur ein guter deutscher Spieler wird davon nicht in Versuchung geführt werden. Eben deshalb empfehle ich, im Winter 1901 in Brest eine Flotte und in Paris eine Armee aufzubauen. Eine Flotte in Marseille, vielleicht von höherem unmittelbarem Nutzen, muß erst um Spanien herumfahren, bevor sie im Atlantik wirkungsvoll Stellung beziehen kann, und blockiert außerdem die Armee in Portugal für ein weiteres Jahr. Wenn es natürlich zu Spannungen mit Italien kommt oder Sie es mit einem Italiener zu tun haben, der Ihnen die Einfahrt in den Golf du Lion [dt. Bezeichnung: Löwengolf, wird aber nur von Eingeweihten verwendet - Anm.d.Ü.] gestattet, ist dies schon eher in Erwägung zu ziehen.
Um es kurz zu machen: Das Iberische Gambit ist wohl Frankreichs beste Wahl für den Aufbau einer Seemacht im Norden, und wahrscheinlich auch die schärfste Waffe, die einem französisch-deutschen Bündnis im Kampf gegen England zu Gebote steht. Seine defensiven Schwächen sind gering, insbesondere im Vergleich zu anderen deutschfreundlichen Eröffnungen - und es ist ein überraschender Anfangszug. Darüber hinaus kann man sich nicht im belgischen Raum verrennen. Wenn Napoleon es nur gekannt hätte.
Ursprünglich erschienen auf der Website "Diplomacy World".