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Der Igel: Segen oder Fluch für Österreich?
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von Richard Hucknall

ÜBERSETZT VON WALTER HENKE
 

Es ist jetzt 3 1/2 Jahre her, daß Richard Sharp im Dolchstoß, Ausgabe 47, die Eröffnungen vorstellte, die seither Österreichischer Igel heißen. Richard führte sie mit der Begründung ein, Österreich scheide häufiger als alle anderen Mächte schon in der Eröffnung aus, und seine erste Pflicht sei daher die Selbsterhaltung.

Dies löste eine Lawine von Igel-Eröffnungen aus, und in der Zeit, als Richards hervorragendes Buch erschien, hatte sich seine Einstellung derart verhärtet, daß er andere österreichische Eröffnungen als "unangebracht" abtat. Igel-Eröffnungen waren nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel.

Ursprünglich war auch ich überzeugt, daß der Igel die Antwort auf Österreichs Probleme sei, doch die letzten zwei Jahre wirkten ernüchternd. Heute bin ich der Meinung, daß, außer unter besonderen Umständen, diese Eröffnung schlecht ist. Für Anfänger: der Igel ist gekennzeichnet durch F Tri-Ven, A Vie-Gal und A Bud-Rum (oder noch häufiger A Bud-Ser, der südliche Igel). Das Motiv für diese offenkundig aggressiven Eröffnungen ist, daß sie Rußland von Galizien fernhalten, Italiens Marsch auf Triest stoppen (oder, falls es A Ven-Tyr, A Rom-Ven versucht, eine Bresche zwischen dessen Armeen schlägt) und Österreich scheinbar den Besitz aller seiner Heimatzentren sowie 1901 den Aufbau einer Einheit sichern.

Meiner Meinung nach ist diese Eröffnung dann gerechtfertigt, wenn sich Österreich ziemlich sicher ist, daß Italien und Rußland im Frühjahr 1901 angreifen. Wenn es Österreich allerdings nicht auf irgendeine Weise gelingt, das Bündnis zu sprengen, ist dies nur eine Verlängerung des Trauerspiels. Meiner Meinung nach ist das die einzige Situation, in der der Igel angewendet werden sollte; eine verzweifelte Situation erfordert drastische Maßnahmen. Beide davon zu überzeugen, daß sie besser nicht angreifen sollten, und gleichzeitig eine Eröffnung zu spielen, die Österreich 1901 Griechenland und Serbien sichert, ist für Österreich viel erfolgversprechender. Das ist nicht so schwierig, wie manche Befürworter des Igels glauben machen wollen.

Vor allem muß Rußland aus Galizien verbannt bleiben; ich halte es für das beste, in diesem Punkt Deutschlands Hilfe zu erbitten. Bei Deutschland sollte man erfragen, ob es seine Flotte nach Kiel beordern und Rußland hiervon in Kenntnis setzen will, und ob es, falls Rußland nach Galizien zieht, bereit wäre, im Herbst dessen Besetzung Schwedens zu blockieren. Die meisten Deutschen werden aus vielerlei Gründen nicht abgeneigt sein, und die Frage ist nicht so sonderbar, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Deutschland sollte erkennen, daß ein erfolgreicher russischer Angriff auf Österreich nichts Gutes verhieße, da ein starkes Rußland im Mittelspiel mit Sicherheit Probleme verursacht, und durch dieses Vorgehen Rußlands Ausdehnung 1901/02 ein annehmbares Maß nicht übersteigt. Obwohl ich ferner meine, daß der Flottenzug nach Dänemark gewöhnlich Deutschlands beste Wahl ist, ist es nicht immer auch sein Interesse, Rußland 1901 an der Besetzung Schwedens zu hindern. Tatsächlich ist Deutschland, wenn Rußland für Schweden, England für Norwegen und Deutschland für Dänemark 1901 Einheiten aufbauen, in einer interessanten diplomatischen Position und kann sich der russischen Verbundenheit für sein Entgegenkommen in Schweden sicher sein. Daher ist die deutsche "Drohung" an Rußland sehr wirksam und doch nicht wirklich geeignet, Rußland zu verärgern. Meist ist ein Konflikt zwischen Rußland und der Türkei die Folge, was für Rußland ein Vorteil ist. Zwar gibt es keine letzte Gewißheit, doch sollte der österreichische Spieler durch seine Verhandlungen mit Rußland und Deutschland eine recht klare Vorstellung darüber gewinnen, ob ein Einmarsch Rußlands in Galizien zu erwarten ist.

Das italienische Problem ist schwieriger und viel gefährlicher. Italien hat bei einem Angriff auf Österreich sehr wenig zu verlieren und viel zu gewinnen. Schlägt er fehl, kann es Tunis besetzen und auf Angebote warten, die auch fast immer eintreffen. Gelingt er, hat es alle Chancen auf ein gutes Spiel. Folgerichtig sollte Italien ermutigt werden, eine Lepanto-Eröffnung zu spielen, vielleicht sogar ein Schlüssel-Lepanto. (Als Österreicher mag ich das Schlüssel-Lepanto nicht, doch hat es den Vorzug, daß Sie über Italiens Zug nach Triest Bescheid wissen und entsprechende Verteidigungsmaßnahmen ergreifen können!) Wenn Italien diesen Köder nicht schluckt oder Sie den Verdacht haben, daß es ohnehin angreifen wird, hat Österreich mit den Zügen A Rom-Ven und A Ven entweder nach Triest oder Tirol zu rechnen. Wenn Österreich glaubt, daß Rußland nicht nach Galizien zieht, hat es nur eine Einheit, wenn es sich gegen Italien verteidigen und trotzdem weiterhin Serbien und Griechenland besetzen will. Diese Einheit ist A Vie. Es bleibt nur noch zu entscheiden, ob sie nach Tirol oder Triest gezogen werden soll, und ich glaube, Fortuna ist auf seiten Österreichs.

Eröffnungsstatistiken weisen mehr Züge nach Tirol als nach Triest aus, und einige nach Triest sind arrangierte Schlüssel-Lepanto-Züge. Daher sieht ein Befehl nach Tirol am besten aus, und noch besser, wenn Österreich Deutschland zur friedenserhaltenden Maßnahme A Mun-Tyr überreden kann, doch lehrt die Erfahrung, daß Deutschland für A Mun gewöhnlich andere, druckvollere Züge vorsieht. Die Durchsicht der Briefe Rußlands, Italiens und der Türkei könnte bei der Tri/Tyr-Entscheidung hilfreich sein, doch sollte man daran denken, daß, wenn Italien nach Triest kommt, ein österreichisches Heimatzentrum 1901 verlorengeht. Doch wenn A Vie nach Triest und Italien nach Tirol und Venedig geht, beträgt die Chance für Italien nur 50:50.

Eine erfolgreich durchgespielte Tiroler oder Triester Variante dieses Balkan-Gambits (so taufte es Richard Sharp) hat den entschiedenen Vorteil, daß es mindestens bis 1902 sowohl mit Rußland als auch der Türkei zu keinen Zerwürfnissen kommt und die Eroberung zweier Versorgungszentren möglich bleibt. Wenn Italien überdies ein Lepanto spielt, überwirft sich Österreich mit gar niemandem. Läuft es schief, dann kann es zugegebenermaßen kompliziert werden, doch alles Können gründet in der Diplomatie und der Fähigkeit, zu erkennen, was wahrscheinlich geschehen wird.

Der Fehler des Igels liegt meiner Ansicht nach darin, daß Österreich sich zu viele Feinde macht und seine eigene Umzingelung befördert. Doch noch entscheidender ist, daß die einsame Flotte in Triest festhängt, was Österreich nicht nur weitere Flotten, sondern auch das strategisch wichtige Zentrum Griechenland kostet. Dieses Versorgungszentrum halte ich für eines der Schlüsselzentren auf dem Brett, da es an die wichtigen Seewege Ionisches und Ägäisches Meer grenzt. Ich behaupte, daß es Österreichs erste Pflicht ist, seine Flotte nach Griechenland zu bringen und dafür, falls nötig, auch Risiken einzugehen!

Ursprünglich erschienen in Fall of Eagles Nr. 44 vom April 1980.

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