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Das steinige Lepanto |
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von Brendan McClure (bmcclure@gpu.srv.ualberta.ca)
ÜBERSETZT VON TIMO MÜLLER
Eine der wichtigsten Eigenschaften einer Eröffnung sollte Flexibilität sein.
Diplomatische Beziehungen verändern sich von Jahr zu Jahr, und wenn man sich selbst einem
streng vorgegebenen Eröffnungszug verschrieben hat, wird man in Schwierigkeiten kommen.
Deshalb hasse ich die klassische Lepanto-Eröffnung für Italien. Praktisch alle Züge
für die ersten beiden Jahre sind schon festgelegt, man bekommt nur eine fünfte Einheit,
wenn man Glück hat und nicht von Österreich hintergangen wird.
Paul Windsors Artikel "Geography is Destiny" [deutsch] behauptet, daß ein alleiniger
Angriff auf die Türkei keine besonders gute Idee ist, und das stimmt. Leider behauptet er
auch, daß ein Angriff auf Österreich eine gute Idee wäre. Aus persönlicher Erfahrung
weiß ich, daß es keine gute Idee ist. Ein Angriff auf Frankreich ist schwierig, weil die
Route, die man nehmen muß, offensichtlich ist, also was soll man als Italiener tun?
"Geography is Destiny" behauptet, daß Deutschland und die Türkei für Italien
gleichermaßen gefährlich aussehen. Ich weiß von vielen Spielen, in denen die Türkei
Italien überrannt hat, aber von keinem, in dem Deutschland dasselbe geschafft hat. Die
Gefährlichkeit Deutschlands müßte nach meiner Meinung niedriger eingestuft werden. Das
liegt am Flaschenhals Tirol. Der erste, der durch Tirol zieht, wird die Region
kontrollieren. Da Tirol normalerweise als Teil des österreichisch-itailienischen Gebiets
gesehen wird, marschiert Deutschland kaum einmal dort ein. Italien kann Tirol durch Armeen
in Piemont und Venedig mit Gewalt erobern, aber Deutschland kann nur in München sitzen
und versuchen, sich zu verteidigen. Während Italien über Tirol nach Böhmen und weiter
vordringen kann, kann es sich gegen eine deutsche Invasion verteidigen, indem es einfach
in Piemont und Venedig stehenbleibt. Das ist der Schlüssel für Italien: es sollte keine
Angst vor einem deutschen Angriff haben. Behaltet in Erinnerung, daß das der wichtige
Punkt ist...
An der diplomatischen Front sollte man sehr freundlich mit Frankreich und Österreich
umgehen (möglicherweise auch mit England). Man sagt hallo zu Deutschland, damit es
versteht, daß man keine feindlichen Absichten hat. Das sollte man aber nicht zu
auffällig versuchen. Deutschland würde Verdacht schöpfen, wenn Italien anfängt, zu
viel mit ihm zu reden, weil das unüblich ist.
Frühjahrszug 1901:
A Ven-Tyr
A Rom-Apu
F Nap-Ion
Lepanto, Tiroler Variante. Langweilig. Aber es erfüllt seine Funktion in seiner
Normalität und offensichtlichen Harmlosigkeit. Von dieser Eröffnung geht das Signal aus,
daß nichts Hinterhältiges in deinem kleinen italienischen Kopf vorgeht. Vorteil Italien.
Du wirst am liebsten Frankreich in Burgund und Deutschland in Ruhr sehen, keine Frage. Nun
beginnst du dich mit Frankreich gutzustellen. Du mußt ihm klarmachen, daß er, anstatt
sich in einen sinnlosen Krieg um Belgien gegen England und Deutschland zu begeben, Italien
in den Rücken Deutschlands helfen kann. Dadurch würde in Deutschland soviel Chaos
verursacht, daß Frankreich von dieser Verschnaufpause profitieren kann. Sag, was immer du
willst, um ihn zu überzeugen. Man kann zwar diese Eröffnung auch ohne französische
Hilfe durchziehen, aber wenn man Hilfe erhält, garantiert das praktisch, daß die
Herbstzüge kein Mißerfolg werden.
Herbstzug 1901:
A Tyr-Mun (hoffentlich von Bur unterstützt)
A Apu-Ven
F Ion-Tun
Du bekommt deine zwei Aufbauten und deckst Venedig. Fiese Kommentare aus Deutschland
werden ankommen. Nun beginnst du, dich zu entschuldigen, und zwar ehrlich. Du erzählst
dem Deutschen, wenn er München zurückerobert, wirst du eine deiner Armeen im Winter
auflösen und der ganze Zweck dieses Angriffs war, daß du stattdessen eine Flotte
aufbauen kannst. Das schöne daran, Deutschland zu ärgern, ist, daß er dich niemals
selbst treffen kann. Er wird niemals Tirol gewaltsam erobern können, und wenn, kannst du
dich trotzdem recht leicht verteidigen. Er wird höchstwahrscheinlich München
zurückbekommen wollen, ein Auge auf dich behalten, und sein Hauptaugenmerk weiterhin auf
das Dreieck England-Frankreich-Deutschland richten. Fürchte keine deutsche Rache.
Aufbauten Herbst 1901:
+ F Rom
+ F Nap
Das Offensichtliche.
Deutschland wird möglicherweise bei nur einem Aufbau stehenbleiben, aber ein kurzer Blick
auf die Karte wird zeigen, daß er die Armee in München sowieso vertreiben kann. Laß ihn
machen. Von diesem Punkt an sind die Möglichkeiten und die Flexibilität dieser
Eröffnung offensichtlich, es kommt nun darauf an, wohin man sich zurückzieht und wie man
die Einheiten im Frühjahr 1902 bewegt. Die Gebiete, in die man sich zurückziehen
kann, zeigen den drei Mächten an, wer von ihnen das nächste Ziel ist. Möchtest du nun
Deutschland, Rußland oder Frankreich angreifen?
Variante 1 (weiterhin Angriff auf Deutschland)
A Ven-Tyr
A Mun H, R: Kie oder Ber oder Ruh
(Flottenbewegungen egal)
Ein zweiter Angriff auf Deutschland. Das klappt aber fast nie, weil es kurzfristig gedacht
ist. Außerdem wird man durch diese Züge selbst zu einem lohnenden Ziel. Jeder will nun
ein Stück deiner italienischen Gebiete in Deutschland und/oder Italien. Man könnte
einwenden, daß A Rom im Frühjahr 1901 nach Venedig ziehen sollte, und von dort aus im
Herbst nach Tirol. Das würde einem erlauben, entweder München zu halten oder zwei Armeen
tief in deutsches Gebiet zu bringen. Leider werden diese Züge in Deutschland genau diese
Befürchtungen wecken. Außerdem wird es eine große Bedrohung für deinen Verbündeten
Österreich darstellen (weil es zwei Einheiten auf zwei seiner Heimatzentren richtet).
Diese Variante empfiehlt sich nicht für Anfänger.
Variante 2 (Angriff auf Rußland/Türkei)
A Mun H, R: Sil
A Ven H
F Tun-Ion
F Nap-Apu
F Rom-Tyn
Österreichisch-italienische Bündnisse gegen Rußland und die Türkei konzentrieren sich
normalerweise darauf, die Türkei zu erobern und anschließend Rußland anzugreifen. Warum
nicht beide gleichzeitig angreifen und dazu deine fast nutzlosen Armeen benutzen? Bei
einem starken Bündnis mit Österreich könnt ihr genauso stark oder beinahe noch stärker
sein als das gefürchtete Rußland-Türkei-Bündnis, das ihr aufhalten wollt. Warschau
kann mit österreichischer Hilfe an dich fallen, oder du kannst dich auf gemeine
Kommentare des Russen einrichten, wenn du Sil-Pru-Lvn ziehst. Du bist Italien, die Zeit
spielt für dich, also such dir die Position aus, die dir gefällt. Mach dir keine Sorgen,
daß Deutschland immer noch ärgerlich ist, weil du einfach die Gebiete durchziehst, für
deren Eroberung er selbst verbissen mit Rußland gerungen hat. Ich habe mit diesen Zügen
schon einen Dreier-Draw mit Österreich und Deutschland erreicht.
Variante 3 (Angriff auf Frankreich)
A Mun H, R: Bur
A Ven-Pie
F Tun-Wes
F Rom-Tyn
F Nap-Ion
Wenn du soviel Glück hast, daß Burgund für den Rückzug offensteht, dann nimm es!
Jawohl! Frankreich ist hinüber. Du hast sehr gute Chancen, Marseille zu nehmen, und kurz
danach Spanien. Der Verlust Münchens wird sich nicht einmal bemerkbar machen.
Aber wie oft wird Frankreich Burgund offen lassen, wenn es weiß, daß du dich dorthin
zurückziehen kannst? Genau deshalb hast du vorhin begonnen, dich bei Deutschland zu
entschuldigen. Die deutsche Armee, die am Anfang in München stand, wird inzwischen in
Ruhr oder Belgien sein. Bitte ihn, Mun-Bur zu unterstützen, so daß er München kampflos
nehmen kann. Überzeuge ihn, daß er deine Armee im Herbst sowieso noch einfach vertreiben
kann, also kann er ja jetzt den vorgeschlagenen Zug ausprobieren (deshalb rate ich auch
von dem Zug Rom-Ven-Tyr ab). Wer denkt, das ist unmöglich: ich habe es auch schon
geschafft. Es brauchte eine Menge Bitten und Betteln bei Deutschland (und bei England, dem
deutschen Verbündeten), aber sie haben es gemacht. In diesem Spiel bin ich inzwischen
nahe an einem Alleinsieg.
Während ich diesen Artikel schreibe, frage ich mich, warum Deutschland über all das
eigentlich nichts erfahren darf. Auf das Blue Water Lepanto [deutsch] kamen viele Reaktionen, die fragten,
wieso Italien nichts von den österreichischen Plänen erfahren dürfe (und es führte
tatsächlich zu einem Artikel [deutsch], der auch in dieser Ausgabe erscheint und
argumentiert, daß es zwischen den Partnern keine Geheimnisse geben sollte). Vielleicht
kann man mit einem deutsch-italienischen Bündnis dasselbe erreichen.
F Kie-Hol
A Ber-Kie
A Mun-Ruh
A Ven-Tyr
A Rom-Ven
F Nap-Ion
Dann, im Herbst, mit deutschem Einverständnis:
A Tyr-Mun
A Ven-Pie
F Ion-Tun
A Kie-Den
F Hol S A Ruh-Bel
A Ruh-Bel
Sowohl Deutschland als auch Italien bekommen zwei Aufbauten, und Deutschland kann beim
Angriff auf Frankreich 1902 helfen. Frankreich scheidet aus, man erreicht eine Blockade im
Mittelmeer, greift den Osten aus einer großen Machtposition heraus an und muß nicht auf
Feinde im Rücken achten. Deutschland bekommt dafür Belgien und Holland, München
zurück, ein Stück von Frankreich und eine gute Ausgangsposition gegen England/Rußland.
Während dem Mittel- oder Endspiel ist die stärkste Macht normalerweise die, die zuerst
an der Schweiz vorbeikam. Wenn man Einheiten auf beiden Seiten der Schweiz hat, gibt es
fast keine Möglichkeit für eine Stalemate-Line mehr. Warum das nicht schon 1901
versuchen? Wende dich direkt nach Norden, und überlege dir später, wer genau denn nun
dein Ziel sein soll.