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Der Türkische Igel (Turkish Hedgehog) |
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von Charles Steinhardt (charles@princeton.edu)
ÜBERSETZT VON TIMO MÜLLER
Ich habe oft gelesen, daß es nur wenige geeignete Eröffnungen für den Türken gibt.
Niemand scheint jemals irgendetwas außer Con-Bul in Erwägung zu ziehen, und obwohl es
vielleicht Gründe geben könnte, anders zu ziehen, und obwohl ich denke, daß jede
mögliche Eröffnung nützlich sein kann, wenn sie in der richtigen Bündnisstruktur
ausgeführt wird, habe ich trotzdem nur einmal nicht nach Bulgarien eröffnet. Das war in
einem Spiel, in dem Österreich und Rußland sehr eng und eindeutig verbündet waren, und
der einzige Weg, den ich mir vorstellen konnte, um sie auseinanderzubringen, war, sie um
Bulgarien kämpfen zu lassen. Es hat übrigens nicht funktioniert. Die Eröffnung der
Türkei scheint also davon abzuhängen, was mit der Flotte passiert. Die meisten Türken
werden ins Schwarze Meer eröffnen, zwar in der Hoffnung, dort auch hineinzukommen, aber
hauptsächlich wegen der katastrophalen Auswirkungen, sollte der Russe im Frühjahr 1901
dort stehen. Entweder zieht die Armee in Smyrna nach Armenien, was bei einem vollen
Angriff auf Rußland der Fall ist, oder die sie zieht nach Konstantinopel, was
eher dem Gewohnten entspricht, obwohl es von Österreich vielleicht als Bedrohung
verstanden werden könnte. Wenn ein starkes Bündnis mit dem Russen besteht, wird für die
Flotte Ank-Con erwartet, was wiederum für den Rest der Welt eine klare Warnung vor einem
russisch-türkischen Bündnis ist.
Das Hauptproblem des Türken ist aber grundlegender. Der Türke hat, wie wir alle wissen,
ernste Probleme, irgendeinen Angriff zu starten, ohne das Schwarze Meer zu kontrollieren.
Armeen bewegen sich nur langsam von der Heimat weg und werden oft blockiert. Der Türke
kann in der Tat keinen Angriff unterstützen, wenn er keine Kontrolle über die
lebenswichtigen Seegebiete, die seine Heimat umgeben, hat. Trotzdem kann das Ägäische
Meer nicht schnell besetzt werden, und das Schwarze Meer ist ein Muß, also kann auch ein
Türke, der über diese Route expandieren will, das nicht schnell schaffen. Die Türkei
ist eine Festung, aber sie hat auch Nachteile. Denn Rußland ist das einzige Land, das
schnell angegriffen werden kann. Außerdem ist Rußland der mit Abstand gefährlichste
aller türkischen Gegner, denn wenn der Türke zuerst Österreich angreift, hat Rußland
die Oberhand, während er in einem anti-russischen Bündnis mit Österreich zwar weniger
VZ erhalten wird, aber den Österreicher stabben kann, ohne daß diese Gefahr für ihn
selbst besteht. Deshalb empfehle ich für den Türken, Rußland anzugreifen, und zwar
gleich zu Beginn, denn wenn Rußland nicht sofort unter Druck gesetzt wird, beginnt der
Rest Europas, sich über ein russisch-türkisches Bündnis Sorgen zu machen, und während
Rußland trotz solcher Sorgen weiter expandieren kann, habe ich noch nie einen Türken
gesehen, der es mit einem österreichisch-italienischen Bündnis aufnehmen konnte,
während der russische Bär im Norden beschäftigt war.
So kommen wir also wieder auf das grundlegende Problem der Türkei zurück. Rußland ist
ein wichtiges Ziel, aber es erfolgreich anzugreifen, ist nicht besonders einfach. Im
Gegenteil: der stärkste Angriff auf Rußland kann im Wasser total gestoppt werden,
einfach durch Sev-Bla im Frühjahr 1901, was meist auch geschieht. Wie sollte der Türke
also mit dem russischen Bären umgehen? Ich behaupte, daß der oft schlechtgeredete
Turkish Hedgehog (türkische Igel), F Ank-Arm, A Smy-Con, wirklich ein sicherer und sehr
starker anti-russischer Zug sein kann, wenn er richtig gespielt wird. Wie man sehen wird,
kann er auch bei dem anderen typischen Problem des Türken helfen: alle Nachbarn wissen,
daß er, wenn er einmal zu wachsen begonnen hat, schwer aufzuhalten ist, und
daher ist es oft sehr schwierig für den Türken, erfolgreiche diplomatische
Vereinbarungen mit seinen Nachbarn zu treffen, ohne mehr Zugeständnisse zu machen, als er
sollte.
Deshalb stelle ich nun die "Russian Attack"-Version des Turkish Hedgehog vor
(ich brauche einen besseren Namen dafür, vielleicht etwas mit meinem eigenen Namen darin
:) ). Die diplomatischen Verhandlungen im Frühjahr 1901 sollten etwa so aussehen:
Österreich: Bitte ihn um Frieden und versuche, ihn gegen Rußland zu stimmen. Du mußt
ihn davon überzeugen, im Frühjahr 1901 nach Galizien zu ziehen, und bei den meisten
Österreichern ist das nicht allzu schwierig. Schlage eine 2:2-Teilung der Balkan-VZs vor,
die üblichen Vorschläge also, aber versuche sicherzustellen, daß er nach Serbien und
Galizien zieht.
England: Erzähl ihm, daß der Russe dir ein russisch-türkisches Bündnis vorgeschlagen
hat. Erzähl ihm außerdem, daß du unsicher bist, ob du zustimmen sollst, weil der Russe
darin stärker wäre als du, aber daß von deinen anderen Nachbarn keiner freundlich
gesonnen scheint. Frag ihn um Rat.
Frankreich: Die üblichen Platitüden darüber, daß die Türkei und Frankreich
längerfristig hervorragende Verbündete sind. Stelle heraus, wie nützlich es wäre, wenn
Italien in einen Landkrieg verwickelt wäre statt in einen Seekrieg.
Deutschland: Stelle sicher, daß Rußland in Schweden geblockt wird. Wäre es nicht toll
für den Deutschen, wenn er und der Engländer, mit dem er so viel gemeinsam hat, gegen
Frankreich zusammenarbeiten würden?
Italien: Stelle nur sicher, daß er kein Lepanto versucht. Deine Ziele für den Westen
beinhalten, daß er von England und Deutschland hoffentlich zu dem Feldzug gegen
Frankreich eingeladen wird.
Rußland: Vereinbare einen Bounce im Schwarzen Meer und ewige Freundschaft. Dein Ziel hier
ist, daß er dir glauben wird, daß du ihn im Schwarzen Meer blockst, und daher nicht
Moskau nach Sewastopol ziehen wird.
Wenn du alles gut gemacht hast, wird der Frühjahrszug 1901 ungefähr so aussehen:
England, Frankreich und Deutschland werden deine Freunde sein, weil die andere Seite des
Spielplans immer gerne die Türkei als langfristigen Verbündeten sieht, mit dem man im
Mittelspiel leicht umgehen kann und der auch sonst keine Bedrohung darstellt. Deshalb
sollte es dir gelingen, eine englisch-deutsche Stellung gegen Frankreich aufzubauen, die
gleichzeitig eine englisch-deutsche Allianz gegen Rußland im Norden sein wird. Rußland
bekommt Schweden in diesem Jahr nicht mehr, und im nächsten Jahr sollte das zumindest
gefährdet sein. Ich muß wohl kaum herausstellen, daß du, wenn du an der Gründung des
englisch-deutschen Bündnisses beteiligt warst und engen Kontakt zu den beiden hälst,
auch eine gute Chance hast, das Bündnis wieder zu sprengen, wenn später die Zeit dazu da
ist. Italien wird inzwischen kein Lepanto versuchen, weil es zwei bessere Alternativen
hat: den Angriff auf Frankreich, vielleicht der Ort, an dem Italien am leichtesten
schnelle Gewinne erzielen kann, oder ein Angriff auf Österreich, wenn der Franzose das
verlangt. Im Westen sollte sich das ganze von alleine weiterentwickeln, und so können wir nun in den
Osten schauen, während wir wissen, daß Italien nicht die Türkei angreifen wird und wir
uns daher nur um den Österreicher und den Russen kümmern müssen.
Frühjahrszüge 1901:
Rußland: StP-Bot, Sev-Bla, Mos-Ukr, War-Gal (Bounce)
Österreich: Vie-Gal (Bounce), Bud-Ser, Tri-Alb (oder Tri H: weil dein Ziel hier nicht
Griechenland ist, ist es egal, aber irgendwie würdest du schon einen
italienisch-österreichischen Krieg bevorzugen)
Türkei: Con-Bul, Ank-Con, Smy-Arm
Nun können wir uns ganz auf Österreich und Rußland konzentrieren. Rußland steht im
Schwarzen Meer, und hat daher drei Möglichkeiten: nach Rumänien zu ziehen, Sewastopol zu
decken, und eines der türkischen Heimat-VZ anzugreifen. Letzteres ist eher selten, da es
nur eine 50-50-Chance ist, und da der Türke schließlich nicht ins Schwarze Meer gezogen
ist, also kann er keine feindlichen Absichten haben. Nach meiner Erfahrung entscheidet
sich Rußland normalerweise für Rumänien und deckt Sewastopol. Währenddessen kannst du
hier die Freundschaft Österreichs sichern. Rußland hat nämlich die Wahl,
Sewastopol zu decken oder sich selbst nach Rumänien zu unterstützen. Mach das dem
Österreicher klar und sag ihm, daß du nach Rumänien ziehen wirst. Du würdest dich
über eine Unterstützung aus Serbien freuen, aber zu gehst davon aus, daß Rußland im
schlechtesten Fall, auch ohne die Unterstützung, keinen Aufbau hat. Dann kommen die
Herbstzüge 1901:
Rußland: Bla-Rum (Bounce), Ukr-Sev, War-Gal
Österreich: Alb-Gre, Vie-Tri, Ser H
Türkei: Arm-Ank (Bounce), Con-Ank (Bounce), Bul-Rum (Bounce)
Die einzige Möglichkeit, bei dieser Eröffnung Probleme zu bekommen, wäre Bla S Arm-Ank.
Das ist aber sehr unwahrscheinlich, da Rußland Sev decken muß (und wenn du annimmst,
daß er es trotzdem versucht, ist Sev doch eine nette Entschädigung für das Schwarze
Meer... Ich mag es jedenfalls immer, wenn Rußland im Frühjahr 1901 eine Einheit
verliert). Ich habe, in den fünf Spielen, in denen ich diese Eröffnung gespielt habe
(ich spiele nicht immer die Türkei), niemals gesehen, daß Rußland Sev nicht gedeckt
hätte. Hoffentlich wird dieser Artikel nicht dazu führen, daß das in Zukunft nicht mehr
passiert, und wenn doch, dann weise ich darauf hin, daß es immer die Möglichkeit der
Eroberung Sewastopols gibt.
Die Aufbauen sehen dann so aus:
Österreich: A Vie, A Bud
Türkei: F Ank
Und von nun an wird Rußland schnell zusammenbrechen. Im Norden ist die Gelegenheit eines
schwachen Rußland bei einem starken englisch-deutschen Bündnis zu gut, um sie
verstreichen zu lassen, und St. Petersburg sollte spätestens 1903 fallen. Die logische
Fortführung sieht für Frühjahr 1902 ungefähr so aus:
Türkei: Ank-Bla, Con S Ank-Bla, Arm-Sev (Bounce), Bul-Rum
Österreich: Bud S Vie-Gal, Ser S Bul-Rum, Vie-Gal
Rußland: Bla-Rum (Bounce, Vertrieben, Aufgelöst), Sev H, Gal S Bla-Rum (Cut, Vertrieben)
Sev fällt im Herbst 1902, und der Österreicher steht dann in der Ukraine. 1903 fallen
dann Moskau und Warschau, eines geht an dich, das andere an Österreich. So hat, wenn du
und Österreich zusammenhalten, 1903 die Türkei ihre Heimatzentren sowie Bul, Rum, Sev
und Mos, also insgesamt sieben VZ, und Österreich, zusätzlich zu seinen Heimatzentren,
Ser, Gre und War. Das Problem bei der Sache ist natürlich, daß der Österreicher einen
Stab versuchen wird, wenn er sich benachteiligt fühlt. Die Flotte in Griechenland kann
leicht ins Ägäische Meer ziehen. Folglich ist das Wichtigste an diesem Krieg,
sicherzustellen, daß Österreich nicht stabt. Es gibt verschiedene Wege, das zu tun. Mein
Bevorzugter ist, den Deutschen, der natürlich ein guter Freund von dir ist, weil du
geholfen hast, das englisch-deutsche Bündnis aufzubauen, zu bitten, einen
österreichischen Stab zu verhindern. Stelle heraus, daß Deutschland es wirklich gerne
sähe, wenn Rußland ausgeschieden wäre, und daß es das selbst nicht schaffen kann, weil
es alle seine Armeen in Frankreich braucht. Kein Österreicher wird dich hintergehen, wenn
er weiß, daß Deutschland darauf feindlich reagieren würde, da Italien und Deutschland
in dieser Phase locker verbunden sind und leicht einen Schlag gegen Österreich ausführen
können, während der Türke, falls er denn Flotten gebaut hat, es gerade geschafft hat,
einige haltbare VZ zu erobern und Flotten, die MIT Österreich gegen Italien, deinen
nächsten natürlichen Feind, zusammenarbeiten sollen, zu bauen. Der Punkt ist jedenfalls,
daß der Turkish Hedgehog, noch eher als eine Eröffnung ins Schwarze Meer, die stärkste
Form eines Angriffs auf Rußland sein kann. Deshalb denk das nächste Mal, wenn du eine
Überraschung für den russischen Bären aus dem Ärmel ziehen sollst, an den Hedgehog.