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Der Angriff auf Deutschland |
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von John Dennett
ÜBERSETZT VON DOMINIK OPOLONY
Die russische Eröffnung A War-Sil ist vergleichsweise selten, aber unter den richtigen Umständen oftmals unterbewertet. Über die Jahre hinweg wurde russischen Spielern geraten, das Zentrum Europas zu vergessen und sich auf das östliche Dreieck bestehend aus Österreich, Rußland und der Türkei zu konzentrieren. Viele Artikel wurden geschrieben und gehen ins Detail, wie jede Großmacht im Frühjahr 01 eröffnen kann und wie sinnvoll dies ist, aber keiner bevorzugte die Attacke auf das Deutsche Reich.
Don Turnbill, die Vaterfigur des britischen Diplomacy, erklärte, daß russische Eröffnungen einen Angriff auf das Zentrum der Karte vermeiden sollten, da dies den geographischen Nachteil Rußlands noch vergrößern würde, indem es die eingenommenen Gebiete offen für Angriffe aus dem Westen, dem Norden und dem Süden ließe. Rod Walker, der geschätze amerikanische Autor, bot nicht mehr an als folgendes: "Dies ist eine antideutsche Eröffnung." Richard Sharp, Autor von "The Game of Diplomacy" [Anm.: Das einzig gedruckte Buch über Diplomacy, das Vorwort ist auch hier einzusehen] schrieb, "Rußlands Intention gegenüber Deutschland ist es, wenn möglich Norwegen und Schweden zu sichern, und dann dort haltzumachen.". Soviel zu den Gedanken und Meinungen unserer Tutoren. Das Problem ist nur, daß jeder dieselben Artikel gelesen hat und diese zu Gesetzen wurden.
Für die Statistiker unter uns ist die einflußreichste Anleitung wohl die Untersuchung russischer Eröffnungen in Ausgabe 15 von "The Numbers Game". Diese zeigt, daß 106 Varianten von russischen Eröffnungen über die Jahre hinweg benutzt wurden. Die beliebteste ist die südliche Defensive mit A War-Gal, A Mos-Ukr, F Sev-Bla, F StP(sc)-Bot, die in 31,1% aller Spielen benutzt wurde, immer noch dreimal so oft wie die nächstbeliebteste. Zum Vergleich, die Attacke auf Deutschland mit A War-Sil, A Mos-Ukr, F Sev-Bla, F StP(sc)-Bot wurde nur in 2,12% aller Spielen benutzt, während A War-Sil für sich alleine in nur 5,86% der Spiele benutzt wurde. Wenn man all dies kennt, ist es nicht überraschend, daß deutsche Spieler die mögliche Bedrohung aus dem Osten ignorieren und russische Spieler diese Bedrohung nicht darstellen wollen.
Die Prämisse, daß Rußland sich um das östliche Dreieck kümmern muß, ist so fixiert, daß die Mitglieder des westlichen Gegenstücks Rußland nicht als einen formidablen Alliierten in dieser frühen Phase des Spiels ansehen. England will Norwegen, und sonst nichts, besonders da sich im Nordseeraum so viele andere VZs befinden. St. Petersburg ist möglich, aber um dies zu bekommen müssen die königlichen Flotten zuweit vom Heimatland Aufstellung nehmen. Deutschland könnte die Barbarossa-Eröffnung nach Schlesien machen, aber die meisten Spieler haben dies noch nicht einmal gesehen (4,36% aller Deutschen haben diese schon mal gespielt). Deutschland hat so viele leichtere Ziele innerhalb seiner Reichweite, daß ein Ostfeldzug die Heimatzentren nur in die Hände der Feinde spielen würde. Richard Sharp schrieb: "Warum zum Teufel sollte man einen Kampf in diesem nicht gerade sehr umkämpften Gebiet wie Schlesien auf sich nehmen?" Frankreich eröffnet oft mit Zügen, um einfach nur Portugal und Spanien zu bekommen, während es sich Gedanken um seinen zukünftigen Alliierten macht. Frankreich verbündet sich in diesem Stadium selten mit Italien, sondern wählt weitaus öfter England oder Deutschland, niemals Rußland! Dies ist wahrscheinlich so , weil Frankreich anscheinend um nichts mit Rußland verhandeln kann, obwohl München alles ist, was Schlesien von Burgund trennt.
Aus Rußlands Sicht bedeutet ein Zug nach Schlesien, daß die Entscheidung für einen Alliierten zwischen Österreich oder der Türkei aufgeschoben ist, gerade mit der Armee in der Ukraine und einem Verbleiben der Flotte in Sevastopol. Der Türke mag in einen gefährlichen Juggernaut gezogen werden und kann dann Rußlands Ambitionen nach Rumänien unterstützen. Das Abziehen der dritten Einheit aus dem südlichen Kampfgebiet macht es nötig, daß Rußland die Unterstützung eines Nachbarn braucht, um Rumänien zu erobern und zu sichern. Die Alliiertenfrage kann damit auch beantwortet werden, je nachdem, wer es war, der Rußland unterstützt hat. Ein Bounce im Schwarzen Meer kann mit der Türkei kann als ein Standardzug zur Täuschung der Gegner abgetan werden, falls der Alliierte die Türkei sein soll.
Die wichtige Analyse der Kommunikation im Frühjahr 1901 sollte dem russischen Spieler sagen, was er zu erwarten hat, besonders wenn er eine kleine gemeine Mail aus Deutschland bekommt, in der steht, das er Schweden nicht bekommt. Die Möglichkeit einer Attacke auf Deutschland beruht auf den richtigen Signalen. Später dann müssen alle Voraussetzungen zusammenkommen. Das heißt, daß sich Österreich und die Türkei gegenseitig bekämpfen sollten; dies sollte nicht allzu schwierig sein, da die beiden Länder schlechte Verbündete sind. Der Hauptpunkt ist hierbei, daß Österreich aus Galizien ferngehalten wird. Wenn diese Voraussetzungen nicht geschaffen sind, ist die südliche Defensive mit einem vereinbarten Bounce in Galizien besser geeignet. Vielleicht versucht man dann A War-Sil im Herbst. Österreichs Eröffnung ist der entscheidende Faktor. Italien kann dabei helfen, indem es die beliebteste Eröffnung befiehlt, nämlich den Angriff über Tirol [Anm.: mittlerweile ist das Lepanto die beliebteste Eröffnung] mit A Ven-Tyr, A Rom-Ven und F Nap-Ion. Mach den Österreicher auf diese Gefahr aufmerksam und die Einheit in Wien wird vielleicht zum Schutz der Heimat VZs abgestellt. Eine italienische Armee in Tirol mag auch bei einem Angriff auf München behilfreich sein.
Deutschland wird A Ber-Kie eröffnen, da dies der natürliche Folgebefehl zu F Kie-Den oder F Kie-Hol ist. Mit der russischen Armee in Schlesien, die nach Berlin oder München vorstoßen kann, ist die Frage für den Deutschen im Herbstzug, ob er Berlin oder München mit A Kie schützen soll. Deutschland zieht in 56,34% aller Fälle A Mun-Ruh und diese Armee ist dann in dem Dilemma, nach Holland oder Belgien zu gehen, oder München zu schützen. Eine Armee zum Schutz zurückzuschicken ist schon entwürdigend genug, aber ich denke, daß sich die wenigsten Deutschen dazu entscheiden, zwei Armeen zurückzuschicken und eher Holland mitnehmen.
Der Herbst präsentiert dann eine Fülle von Möglichkeiten für englisch-russische Diplomatie. Die russische Flotte segelt dann nicht nach Swe (denn wenn Deutschland in Dänemark steht, gibt es jetzt keine Hoffnung auf Schweden mehr), sondern nach Bal, und Deutschland steht wahrscheinlich in Schweden und hat Dänemark nackt hinterlassen, so daß ein englisch-russischer Angriff möglich ist.
Realistisch betrachtet sind die Risiken nicht zu verachten, wenn man diese Variante versucht, aber das Überraschungsmoment und die Neugier werden für diejenigen, die es versuchen wollen reichen. Ich bin gespannt, wie deutsche Spieler reagieren, und ich bin daran interessiert, es herauszufinden! Warum sollte man es nicht einfach mal versuchen? Wenn du nur aus Schadenfreude aus Schweden herausgehalten wurdest, laß Deutschland Schweden nehmen, während du Berlin nimmst. Aber München ist das echte Ziel dieser Attacke. Danach in Warschau aufbauen und A War-Sil sollte dir München sichern, wenn du es dir leisten kannst, eine Einheit gen Westen zu schicken.
Ursprünglich erschienen in der Zeitschrift "Spring Offensive".