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Eine Gewinnstrategie für Frankreich |
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von Dan Stafford
ÜBERSETZT VON WALTER HENKE
Der Zweck dieses Beitrags ist zum einen, unerfahrenen Spielern bei der Entwicklung und Anwendung einer schlüssigen Strategie für Diplomacy-Spiele allgemein zu helfen. Vor allem aber will er Richtlinien für richtige strategische Entscheidungen zur Verfügung stellen, die es Frankreich ermöglichen, den Sieg davonzutragen.
Drei Grundsätze
Man sollte sich von drei Grundprämissen leiten lassen. Erstens: Flotten sind der Schlüssel zum Sieg. Ich glaube, daß das für jedes Land gilt, besonders aber für Frankreich. Das Spielbrett ist so aufgebaut, daß es verhältnismäßig viele kleine Land- und wenige große Seegebiete gibt, deren Beherrschung den Spielfluß diktiert. Wenn man also im Zweifel ist, ob man eine Armee oder Flotte aufbauen soll, dann ist es ein guter Grundsatz, sich für eine Flotte zu entscheiden. Und seien Sie so oft wie möglich im Zweifel.
Zweitens: Die Mittelmächte sind Ihre Freunde, besonders die in der anderen Bretthälfte. Spielen Sie eine östliche Großmacht (Österreich, Rußland, die Türkei oder Italien), dann ist Deutschland Ihr Freund. Spielen Sie umgekehrt eine westliche Großmacht, so wünschen Sie Österreich alles Gute. Warum? Einfach weil Österreich, gemessen am ersten Grundsatz, eine ziemliche Durststrecke zu überstehen hat. Österreich hat nur ein Heimatzentrum, in dem es Flotten aufbauen kann, und dieses ist oft aus irgendeinem Grund besetzt. Das bedeutet, daß selbst wenn Österreich gut dasteht, es vielleicht nicht genügend Flotten aufbauen kann, um einen unerwarteten Seeangriff – und zwar einen französischen! – abzuwehren.
Die ideale Situation für Frankreich besteht dann, wenn Österreich den Balkan oder sogar den ganzen Osten beherrscht und gleichzeitig keine Gelegenheit hat, mehr als eine oder zwei Flotten aufzubauen.
Drittens: Ihr Hauptverbündeter sollte die andere Mittelmacht sein. Da Flotten der Schlüssel zum Sieg sind und Sie nicht nur ein Unentschieden, sondern den Alleinsieg wollen, wäre es dann nicht ideal, wenn Ihr Hauptverbündeter land- bzw. armeeorientiert ist, wie Deutschland, und nicht flottenorientiert, wie England? Genauso ist es, was uns zum nächsten Punkt bringt.
Aufbau der Hauptallianz
Phase 1 des französischen Sieges beginnt 1901, wenn Sie sich entweder für Deutschland oder England als Verbündeten entscheiden; sie endet, wenn der Verschmähte aus dem Spiel ausscheidet. (Ich überlasse die Erörterung einer Dreifach-Allianz zwischen England, Deutschland und Frankreich anderen. Es genügt wohl zu bemerken, daß eine solche Allianz nicht das beste ist, was Frankreich passieren kann.) Es gibt Leute, die behaupten, ein englisch-französisches Bündnis sei taktisch stärker als ein französisch-deutsches. Andere meinen, die Entscheidung für ein bestimmtes Bündnis sollte nur von Diplomatie und Persönlichkeit abhängig sein. Ich gebe zu, daß letztere z.T. recht haben – und daß sich erstere in einem tödlichen Irrtum befinden!
Was ein englisch-französisches Bündnis betrifft: Deutschland ist eine harte Nuß. Es kann sich 1901 in jedem Fall, selbst ohne Verbündeten, zwei Aufbauten sichern, womit es dann über 5 Einheiten verfügt. Frankreich und England wird es sehr schwer fallen, zusammen mehr als 4 oder 5 Einheiten an die Front zu bringen, und der Fortschritt wird am Anfang langsam oder nichtexistent sein. Und was ist mit Rußland? Jeder intelligente russische Spieler wird Deutschland beistehen. Welche großartige Chance für Rußland, sämtliche Westmächte völlig zu blockieren und im weiteren Verlauf möglicherweise Norwegen zu gewinnen, um so zu einer echten (See)macht im Norden aufzusteigen? Nur ein unfähiger russischer Spieler würde England und Frankreich in die Hände spielen, indem er seinerseits Deutschland angreift, denn Rußland wäre mit Sicherheit das nächste Opfer Englands und Frankreichs, sobald Deutschland vernichtet ist.
Einem Bündnis zwischen Frankreich und Deutschland ist aus einer ganzen Reihe von taktischen und strategischen Gründen klar der Vorzug zu geben. Taktisch ist England viel leichter zu erobern als Deutschland. Schon mit vier Flotten können Frankreich und Deutschland England leicht überwältigen. Wie reagiert Rußland? Nur wenige Zaren werden der Versuchung widerstehen, sich Norwegen einzuverleiben, denn dadurch könnte es St. Petersburg jeder Bedrohung entheben, sich ganz Skandinavien sichern und mit mehreren Flotten als nördliche Großmacht etablieren. Die übrigen Ostmächte werden den Untergang Englands nicht als etwas betrachten, was sie unmittelbar berührt. Sie werden darin nichts anderes sehen als den Kampf dreier Mächte um die Beute England, wodurch keine von ihnen zu mächtig wird.
Das strategische Hauptproblem einer englisch-französischen Allianz besteht darin, daß Frankreich keine Flotten aufbauen darf. Ihr englischer Verbündeter wäre wahrscheinlich ziemlich verstimmt, wenn Sie es trotzdem tun. Und doch müßte nach dem Fall Deutschlands Ihr nächstes Ziel England oder Italien sein, wofür Sie zu wenige Flotten hätten. Wenn dagegen England Ihr erstes Opfer ist, haben Sie schon mehrere Flotten auf dem Brett und können mit Leichtigkeit Italien, Deutschland oder sogar Rußland angreifen.
Um Ihre Siegchancen noch weiter zu erhöhen, sollten geschickt zusätzliche diplomatische Anstrengungen unternommen werden, um eine vorteilhafte Situation im Osten herbeizuführen. Wenn beispielsweise Rußland und die Türkei Österreich angreifen, könnten Sie Italien vor Augen stellen, was passiert, wenn es Österreich jetzt nicht beisteht. Eine antitürkische Allianz zwischen Rußland, Österreich und Italien ist ebensfalls von Vorteil für Frankreich.
Nach der Vernichtung Englands
Phase 2 beginnt, wenn alle englischen Heimatzentren von französisch-deutschen Truppen besetzt sind oder dies unmittelbar bevorsteht. Nun haben Sie zwei Möglichkeiten. Die erste ist ein sofortiger Überfall auf Deutschland, doch meiner Ansicht nach ist dies nur in wenigen Fällen die beste Wahl. Die am ehesten für einen frühen Überfall sprechende Konstellation liegt bei einem starken Rußland vor, das Sie beim Krieg gegen Deutschland unterstützt. Allerdings sollte es nicht zu stark sein; vorzugsweise hat es Ihnen von sich aus und unaufgefordert einen Blitzkrieg gegen Deutschland vorgeschlagen. Ferner sollte im Mittelmeer quasi ein Patt zwischen Italien und der Türkeit vorliegen. Wenn entweder Italien oder die Türkei die Oberhand über den anderen gewinnt oder Rußland zu schwach oder nicht geneigt ist, gegen Deutschland vorzugehen, so ist ein Überfall auf Deutschland die weniger attraktive Variante. Wenn sich Deutschland allerdings gegenüber allen Empfehlungen, sich nach Osten zu orientieren, als resistent erweist, sollte dies die Hemmschwelle gegenüber einem Verrat an Deutschland merklich herabsetzen. In den meisten Fällen aber ist ein energischer Marsch Richtung Mittelmeer erfolgverheißender als ein Angriff auf Deutschland.
Angenommen, Sie haben sich für die Mittelmeervariante von Phase 2 entschieden; dann ist das Timing ausschlaggebend für die erfolgreiche Inbesitznahme der italienischen Versorgungszentren. Selten werden in dieser Spielphase sowohl Italien als auch die Türkei stark sein; nur einer von beiden wird prosperieren, und dieser für gewöhnlich auf Kosten des anderen. Sie müssen die Situation selbstverständlich genau unter die Lupe nehmen. Wenn die Türkei gewinnt, dann wird Italien in dem Moment (oder kurz zuvor), in dem es sich außer Stande erweist, die Goldende Horde zu stoppen, sehr empfänglich für ein paar Hilfsflotten sein. Geben Sie dem Italiener, wonach er verlangt! Koordinieren Sie Ihre Flotten mit den italienischen und tun Sie ihr Bestes, den Türken aus den italienischen Gewässern zu verdrängen.
Erst wenn das vollbracht ist, holen Sie sich jedes italienisches Versorgungszentrum, das Sie kriegen können. Im entgegengesetzten Fall – wenn Italien gewinnt – ist wieder das Timing entscheidend. Schlagen Sie zu früh zu, so überlebt die Türkei und kann sich möglicherweise erholen und Ihnen nach dem Ende Italiens die Mittelmeerherrschaft streitig machen. Warten Sie zu lange, so hat Italien nach der Zerschlagung der Türkei seine Streitkräfte schon wieder in Richtung Westen in Marsch gesetzt. Schlagen Sie im richtigen Augenblick los, d.h. wenn die Türkei nur noch zwei oder drei Versorgungszentren besitzt und die italienischen Flotten noch vollauf im östlichen Mittelmeer beschäftigt sind, so können Sie ein nahezu unverteidigtes Italien im Sturm nehmen und haben es danach nur noch mit einer zerbrochenen Türkei zu tun.
Das Endspiel
Die Eroberung Italiens läutet das Ende von Phase 2 und den Beginn des Endspiels ein. Wieder haben Sie nur zwei grundlegende Optionen. Die erste ist ein Zweier-Draw zusammen mit Ihrem deutschen Verbündeten. Mittlerweile dürfte er Skandinavien überrannt haben und seine Truppen umringen Österreich und Südrußland. Vermutlich ist er nicht in der Lage, Sie anzugreifen, weil er nur über zwei oder drei Flotten verfügt und Ihre englischen Besitzungen nicht wirklich gefährden kann.
Die zweite Möglichkeit ist der Kampf um den Alleinsieg. Das kann ebenfalls auf zweierlei Weise geschehen. Die erste ist ein Überfall auf Deutschland unmittelbar nach der vollständigen Besetzung der italienischen Halbinsel. Sie können Ihre Flottenüberlegenheit dazu benutzen, den Deutschen aus Skandinavien und Sankt Petersburg zu vertreiben. Gleichwohl müssen Sie für einen Einzelsieg immer noch die Niederlande und Dänemark erobern, was nicht leicht wird. Die zweite Variante besteht darin, als Bündnispartner weiterzuspielen und so zu tun, als würden Sie einen 17:17-Gleichstand anstreben, um dem Deutschen schließlich doch noch das entscheidende Versorgungszentrum abzunehmen. Natürlich ist auch diese Vorgehensweise risikobehaftet, den Ihr Alliierter kann das gleiche mit Ihnen, nur ein bißchen früher, versuchen.
Dieser Artikel stellt einen Rohentwurf für einen französischen Sieg dar. Ich behaupte nicht, daß dies der einzige Weg ist, mit Frankreich zu gewinnen, sondern nur, daß das nach meinen Erfahrungen der beste Weg ist. In jedem Spiel wird es hunderte verschiedener Unwägbarkeiten geben, die alle die richtige Behandlung erfordern und bewirken werden, daß kein französischer Sieg wie der andere sein wird.