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Die German DipCon 2003 - Erlebnisbericht eines Greenhorns
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von Sebastian Beer (a9603697@unet.univie.ac.at)
 

Die deutsche DipCon in Waldkappel muss etwas besonderes an sich haben - immerhin kommen seit sieben Jahren regelmäßig Menschen dorthin um zu spielen. Und in der Regel kommen sie wieder. Die GDC 2003 war mein erstes FtF-Event, also hat André schon Recht, wenn er meinen Bericht im Forum als 'Bericht eines Neulings' ankündigt - was FtF betrifft bin ich tatsächlich noch ein wenig grün. Aber umso neugieriger war ich, bevor ich mich auf die siebenstündige Anreise machte.

Zuerst allerdings Entsetzen: volle Züge ab der Grenze, keine Sitzplätze für uns arme gebeutelte Österreicher, und die brennende Frage, warum ausgerechnet an diesem Donnerstag ganz Deutschland auf den Beinen zu sein scheint. Simple Antwort: der Tag der Deutschen Einheit schafft ein verlängertes Wochenende. So was muss einem als Ausländer ja erst mal gesagt werden. Schließlich und endlich dann aber doch allen Umständen und Widrigkeiten und Staus zum Trotz: Ankunft am Ort des Geschehens.

Waldkappel: ist lustig. Nach der dreiminütigen Führung durch den Ort kennt man sich so gut aus wie ein Einheimischer; aber gerade diese Abgeschiedenheit und der Mangel an Alternativen führt dazu, dass die Teilnehmer auf einem Fleck (im Tagungshaus bzw. davor, im sagenumwobenen Rauchereck) bleiben und der einzigen sinnvollen Beschäftigung vor Ort nachgehen: spielen.

Und gespielt wird rund um die Uhr. Ich möchte wissen, wie viele Stunden insgesamt keine einzige Partie Diplomacy gelaufen ist - sollte mich wundern, wenn die Zahl den einstelligen Bereich überschreitet. 12 Stunden Diplomacy täglich sind nämlich für die meisten der Angereisten nicht wirklich Grund, ein paar Stunden mal kein Brett anzufassen. Zur Erholung wird eben mal ne NoPress angerissen, sechs Mitspieler finden sich immer.

Schade, dass sich niemand für ein FtF-Chaos begeistern konnte - da sind endlich mal über 34 Spieler auf einem Haufen, und dann klappt das erst nicht. Sollte vielleicht an der nächsten DipCon einen fixen Platz eingeräumt bekommen. Von mir sonst beobachtete Varianten: NoPress zuhauf, Machiavelli (sogar als Turnier, damit Bogre auch was gewinnen durfte) und Escalation (Einheiten werden von den Spielern erst beliebig aufgestellt, bevor 1901 gezogen wird - funktioniert jeder Anzahl an Spielern).

Dafür wurden auch fleißig andere Spiele ausprobiert - der Diplomat hat ja keine Scheuklappen was das Fremdgehen anbelangt. Als eindeutiger Favorit der Massen entpuppte sich dabei 'Höllenhaus', ein Spiel aus den 70ern, also ganz im momentanen Vintage-Trend liegend, eine Persiflage auf Rollenspiele im Horror-Genre. Natürlich muss man das Böse bezwingen, kann dabei aber auch selbst böse werden, harhar.

Bei zwei holländischen Spielern durfte ich über die Schulter gucken als sie eine Partie 'Street Soccer' spielten. Das sah ebenfalls nach großem Spaß aus, die beiden Spiele wandern gleich auf meine Wunschliste bei eBay.

Aber auch zwischen den Spielen war viel zu tun, immerhin gab es über 40 Menschen, die man früher nur als E-Mail-Adressen kannte, kennen zulernen. Neben der einen oder anderen Überraschung brachte das enorm viel Spaß und Vergnügen - aber wenig Schlaf mit sich. Tatsächlich schlichen sich sogar vereinzelt Spieler um 22.00 Uhr ins Bett, um am nächsten Tag fit für die nächste Runde zu sein. Namen nenne ich jetzt keine, Jan Weitzel könnte mir sonst z.B. böse werden. :o)

Zum Turnier: Gespielt wurde in drei Runden zu je sechs Brettern. Phantastisch, was 21 im selben Raum Diplomacy spielende Menschen für einen Krawall machen können. Tournament Director Sascha Hingst hatte die Sache allerdings im Griff; Auslosung, Dokumentation, Auswertung - klappte wie am Schnürchen. Nicht einmal sonderbare Draw-Angebote (7er Draw im Herbst 1903, bzw. ein Draw-Vorschlag, der von allen abgelehnt wurde) konnten den Mann aus der Ruhe bringen.

Mich als alten PbEM-Spieler brachten die rasanten ZATs von 20 Minuten zuerst gehörig aus dem Konzept. In den 10 Minuten, die einem de facto zum Verhandeln bleiben, kann man sich nicht um alle Mitspieler kümmern, und schon gar nicht manipulativ aktiv werden. Es wirkt gradliniger, einfacher, roher und weniger elegant als PbEM, hat aber große Reize, die man selber erst erfahren muss, um zu begreifen. Wer nie in einen Saal gekommen ist, in dem man Diplomacy förmlich atmen kann, dem werden meine Zeilen hier auch nicht viel sagen. Sei’s drum, die Turnieratmosphäre ist schon eine ganz besondere, dagegen stinkt 'daheim vor dem Computer' ganz schön ab. Gerade wo ich in den letzten Partien PbEM eher negative Erfahrungen mit Mitspielern gemacht habe, waren die drei Turnierpartien ein unglaublich positiver Kontrast. Ich weiß nicht, liegt es daran, dass die Mitspieler sich FtF nicht so recht trauen, oder umgekehrt, dass die Anonymität bei PbEM so zu Untergriffen verführt? Egal. Obwohl meine Spielweise sicherlich bei PbEM besser funktioniert, ist die FtF Atmosphäre unschlagbar.

Auch bezüglich der spielinternen Abläufe ist einiges anders im Vergleich zu PbEM. Besonders überraschend war die Tatsache, dass in einer großen Anzahl an Spielen ein 'Western Triple' (wenigstens eine Zeit lang - wir erinnern uns: es gibt eigentlich keine Triple, einer der drei ist immer der Dödel) gespielt wurde. Das mag mit der, besonders von den internationalen Spielern festgestellten, Angst vor dem Juggernaut auf deutschen FtFs zusammenhängen. Oder mit dem Gefühl, zu dritt stärker zu sein. :o) Traditionell zahlt bei dieser Kombination der Deutsche drauf; vielleicht sollte mal jemand einen Artikel zu dem Thema schreiben oder übersetzen, eine große Anzahl von künftigen Kaisern würde es ihm danken.

Die erste Runde - eine Pleite. Von Landsleuten verraten, von allen Freunden verlassen - wie soll der Habsburger Kaiser denn da groß werden? Aus in 1904 - das haben sonst nicht viele geschafft. Die von Sascha eingeleitete NoPress-Partie der Ausgeschiedenen hatte es dann aber dafür in sich.

Am Abend ging dann plötzlich ein Raunen durch die Menge - ER war angekommen. Der Schatten, der einmal kurz lächelnd an uns unwichtigen Statisten vorbeizog und allen schüchtern die Hand schüttelte, um sich dann mit seiner weisen Rasselbande in ein Zimmer zu verziehen und in sich zu gehen, war ja angeblich Dirk Hamann persönlich. Im Nachhinein betrachtet kommt’s mir eher wie eine Fata Morgana vor, ich mag aber auch in einem diplomatischen Delirium gelegen haben.

Nach meiner glorreichen Niederlage gleich am ersten Tag, konnte ich die weiteren Spiele etwas ruhiger angehen, die Ratlosigkeit vor der ersten Partie ließ auch ein wenig nach, immerhin hatte ich meine erst FtF-Erfahrung ja bereits am Vortag gesammelt.

Die zweite Runde am Samstag Vormittag, die als Teamwettbewerb ausgetragen wurde, brachte zusätzliche Spannung, schließlich hatten wir (Georg Kotschy, Tage Bengtsson und ich) uns einiges dafür vorgenommen. Als Team 'Deutschland 1' (Achtung: Ironie, da keiner von uns aus Deutschland kommt) versagten wir allerdings fast auf der ganzen Linie. Nomen est Omen, in diesem Fall. Hehe. Georg rettete ein paar Pünktchen, auch Tage scorte ein wenig und ich brachte mein bestes Ergebnis des Wochenendes ein, einen zweiten Platz, geteilt mit Cyrille Sevin (wenn das mal keine Ehre ist!) - 'Deutschland 1' belegte immerhin einen hübschen Platz im hinteren Mittelfeld.

Die Partie an sich war weder sonderlich hübsch noch glorios, einfach ein solides E/F, getarnt zunächst als, na?, natürlich, ein Western-Triple. Cyrille als Osmane rieb sich heftig die Hände, Julian Ziesing, mein englischer Freund, hielt mir die Treue bis zum Schluss, so dass ich mich erstmals in diesem Turnier anschreiben durfte. Ein dummer Fehler am Ende der Partie kostete mich noch ein paar Pünktchen, aber egal, immerhin war ich ja als Greenhorn angetreten, und nur zum Lernen hier.

Nach diesen sechs Stunden anstrengender Diplomatie war dann am Abend gleich die nächste Partie dran. Hier zeigte sich, wie sehr FtF sich von PbEM unterscheidet. Anstatt mit meinem Teamkollegen Tage Bengtsson ein wunderbares, simples, solides R/T zu Ende zu spielen, versagte ich bei einer wichtigen Entscheidung unter Zeitdruck völlig, und verbockte so die Partie für Tage und mich. Ein Fehler, der mir bei einer Woche Frist für den ZAT sicher nicht passiert wäre. Sehr unangenehm, aber auch aus dieser Partie nehme ich einiges mit. Seufzend, aber doch (am liebsten hätte ich mich allerdings verkrochen). Nach zwölf Stunden Diplomacy fühlte ich mich dann irgendwie ausgelaugt, aber auch fein, wie nach einem langen Arbeitstag, an dem viel weitergegangen ist. Dennoch: ins Bett fallen war einfach nicht drin. Zu viele neue Freunde wollten noch mal anstoßen, und einige künftige Projekte wurden angeleiert, bevor ich endlich mit einem seligen Grinsen entschlummern durfte.

Der Rest ist schnell erzählt. Sonntag Preisverleihung mit einigen humoristischen Glanzpunkten, einige ganz Unbeirrbare setzten sich noch mal zu einer Partie NoPress, und die Fahrgemeinschaften rissen langsam ab Richtung Heimat. Verließen Waldkappel, das seinem Ruf als Mekka des Deutschen Hobbys voll und ganz gerecht wurde, mit dem festen Vorsatz, kommendes Jahr bei der EDC in Darmstadt wieder dabei zu sein. Diplomacy's comming home!

Dickes Danke am Ende noch mal an alle, die uns das Wochenende ermöglicht haben. Von Frank, dem Getränkewart (Bock zum Gärtner machen glaub ich heißt das) bis hin zum Chef-Organisator André Ilievics, der es sich nicht nehmen ließ, uns zwei Österreicher persönlich vom Bahnhof in Fulda abzuholen (merci auch besonders dafür). Die GDC 2003 hat nicht nur unglaublich Spaß gemacht. Sie war von hinten bis vorne unglaublich gut organisiert und hat auch in Österreich einiges ins Rollen gebracht. Die Lust auf eine eigene DipCon in Österreich ist definitiv gestiegen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben arbeiten wir gerade daran, und ich hoffe, einige Bekanntschaften aus Waldkappel beim Felix Austria Tournament (5. bis 8. August 2004) auf der Hohen Wand bei Wien zu sehen.

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