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DM2002 - Der Sieger schaut zurück |
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von Jürgen Lutz (Juergen.Lutz@Dornier.eads.net)
Es ist schon eine Weile her und die Erinnerung fängt an zu verblassen... und ist doch noch sehr deutlich: Ich habe die DM 2002 gewonnen! Ich bin Deutscher E-Mail-Diplomacy-Meister 2002!
Das sollte mir doch ein Anlaß sein, einen kleinen Erlebnisbericht zu verfassen, wie es dazu kam. Wenn man meinen EOG gelesen hat, werden einem diverse Stellen bekannt vorkommen. ;o)
Also, es war einmal vor laaanger Zeit...
Der Weg ins Finale
Ich habe anfangs die Anmeldung voll verschlafen und wurde erst durch einen Freund darauf aufmerksam gemacht. Glücklich in Partie 411 nachgerückt, war es dann zuerst Italien... bekanntermaßen nicht gerade das beste Land für eine so kurze Partie. Irgendwie lief es aber richtig gut. Rußland war ein zuverlässiger Partner und ein R-I-Bündnis ist schon eine feine Sache...zusammen mit Dominik Opolony entwickelte sich das Spiel zu einem Selbstläufer. Außerdem war ich großer Hoffnung, daß es in einem Vorrundenspiel auch ohne einen Stab gehen kann. Dies war leider ein Trugschluß und Dominik rammte seinen Dolch tief in meinen Rücken, was mir aber eigentlich egal war, da das Weiterkommen schon gesichert war. Dominik erhielt im Halbfinale wohl auch gleich die gerechte Strafe (Exitus H1903), ich dagegen hatte einen schönen und aktuellen Beweis vorzuweisen, daß ich die treueste Seele in ganz Ludo-Land bin!!! Merkt euch das. ;o)
Danach folge im Halbfinale die Türkei... und ich hatte die Sache schon fast abgeschrieben. Mit T ins Finale? Ich? In meinem dritten oder vierten Spiel bei Ludomaniac? Ne, das wird wohl nichts... war meine fälschliche Annahme. Der entscheidende Schritt mit der Türkei ist das fünfte VZ... und das hatte gleich im ersten Jahr geklappt. Das hat mich fast aus der Fassung gebracht. Ich hatte nicht damit gerechnet, auch nur irgendwas zu reißen, und plötzlich war alles ganz einfach. Das Schwarze Meer war schnell eingenommen und Rußland war am Ende. Außerdem hatte dann Timo Linden einen entscheidenden Einfluß auf den Verlauf der letzen Jahre, hätte er sich doch wesentlich besser gegen mich wehren können. Aber bei Diplo braucht man Freunde und mit Timo hatte ich einen!
Gegen Schluß kam es dann zum ersten Treffen zwischen Dom und mir. Ich hatte durch meine Mitspieler schon einiges von ihm gehört und wurde öfter zur Vorsicht gemahnt. Daß ich am Ende "nur" Zweiter in der Partie wurde, hatte aber weniger mit ihm, sondern mehr mit meiner eigenen Inkompetenz bzw. unnötigen Gier zu tun. Der letzte Zug in Partie 426 war sicherlich mein größter Fehler, den ich in diesem Turnier gemacht habe. Die Schlußauswertung ist auf jeden Fall super gut gemacht gewesen. Wenn ihr mal Zeit habt, schaut sie euch an! Mir blieb auf jeden Fall das Herz stehen, als ich realisierte, daß ich Moskau verbockt hatte und Dom doch noch an mir vorbeigezogen war! Aber Fortuna war mir hold und so hat es als Vize gerade noch so ins Finale gereicht. Aber was habe ich die letzten Tage und Auswertungen der anderen Partien geschwitzt!
Der Finalbeginn
Nach dem Ausklingen der Siegesgesänge (nun gut, Vize) kam die Finalauslosung und hätte es schlimmer kommen können? Kaum. Österreich. Nach I und T das Land mit der schlechtesten Performance. Neben so erfahrenen Spielern wie Christoph und Dom eingeklemmt. In meinem ersten Spiel ever mit Österreich war mein Ziel eigentlich sofort klar: Überleben bis mindestens 1905. Ein hochgestecktes Ziel zu diesem Zeitpunkt (und von meiner Freundin belächelt ;o) ).
Der erste Zug
Nach dem ersten Zug rückte dieses Ziel auch schon in weiter Ferne. Italien zieht gegen die Abmachung nach Tri! Schöner Mist. Nachdem in den ersten Spielen eigentlich immer alles nach Plan begonnen hatte, war dies dann doch ein herber Rückschlag. Sieg? Abgehakt!
Italiens Beteuerung "neieiein, ich bin ganz lieb :-)" mußte wohl als Lüge abgehakt werden.
Herbstzug 1901
"ein italiener in Tri muss auch nicht zwangslaeufig krieg bedeuten..." - Dies war die Aussage von Dom, die das folgende Vorgehen geprägt hat. Zusammen mit dem Diplo-Meister Dom haben ich es dann tatsächlich geschafft, Christoph zu einer Zusammenarbeit zu bewegen... bzw. zumindest zu dem Zug Tri-Ser. Außerdem der geglückte Zug nach Rum... ein gelungener Zug. Wobei auch jetzt schon klar wurde, daß die Beziehung zu T eher nicht die beste war und keiner sich an die Abmachungen hielt (Gre). Und an eine Zusammenarbeit mit I habe ich auch nicht wirklich geglaubt, wenn auch ein wenig gehofft.
Anfragen zu dieser Zeit wie "Für meine weitere Planung wäre es sinnvoll zu wissen, ob du zukünftig weiter kämpfen möchtest oder ob du dich mehr oder weniger aufgeben möchtest, wie von einigen Seiten zu hören ist." konnte ich nur mit "WEITERKÄMPFEN BIS ZUM BITTEREN ENDE!" quittieren.
Die Verteidigung gegen I
Da sich Italien deutlich nicht zu einer Zusammenarbeit überreden ließ, begann jetzt eine beherzte Verteidigungsschlacht, an die ich mich gerne erinnere. Es muß erwähnt werden, daß Dom in dieser Zeit eine entscheidende Rolle inne hatte und mich taktisch "leitete". Ohne seine Analysen wäre der ein oder andere Zug niemals zustande gekommen. Das Glanzstück war sicherlich die Einnahme von Tri und Bul im Frühjahr 1903! Dieser Zug hat dann Christoph wohl auch auf meine Seite gebracht und ist der beste Beweis dafür, daß Angriff tatsächlich die beste Verteidigung ist! Am witzigsten fand ich zu dieser Zeit, daß die Kommentatoren es so analysierten, als ob die ganze Sache eine Inszenierung zwischen I und mir wäre.
Danach lief alles wie am Schnürchen und es folgte, wenn ich mich nicht wirklich täusche und ich die Definition von Stab nicht falsch aufgefaßt habe, mein erster Stab! Und zwar an Rußland bzw. Dom. Es war eine miese Sache und ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen. Nun ja, ein wenig... aber es war eine günstige Gelegenheit, ich war jung und brauchte das Geld. Sorry, Dom!
England
Nach dem Stab und dem weiteren Verlauf bekam England mit seinen zwei Einheiten eine Bedeutung, die ich vorher nie für möglich gehalten hätte. Er allein konnte über Sieg und Niederlage entscheiden. Ich bin froh, daß ich nicht in seiner Haut gesteckt habe. ;o)
Irgendwie war es schon witzig. Ich habe meterweise Mails an Martin geschickt und immer wieder auf die nächste Auswertung gewartet, ob ich dieses mal überzeugender gewesen bin. Ohne ihn ging nichts. Und ich hatte keine wirklich guten Argumente für seinen Seitenwechsel...
Als er dann wirklich in meinem Sinne gezogen hat, konnte ich es erst nicht glauben (auch den nächsten Zug noch nicht). Der Durchbruch war geschafft. Und der Convoy meiner Armee nach Edi durch die englische Flotte war für mich der Highlight des Finales! Und ich habe mich richtig gut gefühlt!
Der Zerfall Frankreichs...
war dann fast schon klar. Konsequent wurden im Norden und Süden die Fronten eingerissen. Langsam stieg auch die Nervosität zwischen Italien und mir. Mit D hatte ich Frieden geschlossen und meine Truppen zur Sicherung gegen Christoph angezogen. Den bedeutendsten Fehler dieses Spiels (in meinen Augen) machte in dieser Situation Christoph (sorry, daß ich das hier so ausplaudere!), indem er den Bounce in War, den wir ausgemacht hatten, vergaß! Ich denke, das hat ihn den Sieg gekostet!
Der Balkankrieg
Die Lage schien verloren, die Kommentatoren sagten mir nur noch Minimalstchancen nach (mal wieder *g*), und ich hatte auch wenig Hoffnung, I noch zu überholen. Der Zug F1910 hat mich sicherlich die meisten Nerven und die meiste Zeit gekostet. Martin hatte die Lage ausführlich analysiert, Matthias brachte seine Ideen ein und selbst Dom schickte mir seine Betrachtungen! Daß der Zug dann wirklich klappte, war zum einen Glück, zum anderen wieder nicht der idealste Zug von Christoph. Der Sieg war nahe!
H1910
Bis zum Ende war die Spannung kaum auszuhalten. Es gab noch Möglichkeiten, wie mir der Sieg noch entrissen werden konnte. Zum Beispiel: E, F und I machen am Ende doch noch einen verrückten Convoy Bre-Eng-Nth-Edi und I bekommt Bre... Ich bin schier durchgedreht. Ich habe an alles geglaubt und alles für möglich gehalten: das ist alles von langer Hand geplant, die wollen mich nur verarschen und es ist eh klar das Christoph gewinnt... aber...
GGGGEEEWWWOOOOONNNNNNNNEEEEENNNNN!!!!!!!
England macht den Tausch, sonst keine verrückten Züge - 13:11 - Wahnsinn!
Aktuell wieder viel diskutiert ist der Spielmodus der DM. Zu den ersten zwei Partien kann ich da nur sagen, daß sie sicherlich anders gelaufen wären, wenn nur die Sieger weitergekommen wären. Ich persönlich finde es aber OK, wenn die DM ihre eigenen Regeln entwickelt und sich Bündniskonstellationen auf etwas "anderem" Weg ergeben. Außerdem ist dieser Spielmodus wohl die einzige Art, ein Spiel ohne einen Stab zu beenden, zumindest theoretisch. Praktisch konnte ich diese Erfahrung leider nicht machen, obwohl es eine tolle Sache gewesen wäre. ;o) Über den Modus des Finales gibt es weniger zu diskutieren (außer vielleicht die Dauer).
Auch wenn ich gestehen muß, daß ich schon zwei E-Mail-Partien auf Judges (irgendein englischer, kann mich nicht erinnern) und zwei FTF bestritten habe, beläuft sich meine Diplo-Erfahrung nach dem Finale genau auf acht Partien. Momentan stehe ich (automatisch) im Halbfinale der DM2003 und habe wohl Chancen auf den Einzug in die zweite Runde der WM. Das heißt, daß ich nach zehn Diplomacy-Partien wohl meinen Karrierehöhepunkt erreicht habe und es ab jetzt nur noch abwärts gehen kann. ;o)
Schönen Gruß,
Jürgen Lutz, Deutscher Diplomacy-Meister 2002