Titel
Go Robert Go - Wird ein Deutscher "Email World Champion"?
WM, da war doch was - dieses prestigeträchtige Email-Turnier, das alle 2 Jahre ganze Spielermassen von Nordamerika bis Australien, von Skandinavien bis Südafrika mobilisiert. Und bei dessen Ausgaben 2002 und 2004 auch eine ganze Reihe deutscher Spieler ihr Glück versuchten. Während insgesamt die Teilnehmerzahlen der WM eher zurückgehen, war hierzulande ein wahrer Boom bei dem Turnier zu beobachten, für das man sich nur in Siebener-Teams anmelden kann. Teils formierten sich ambitionierte Nachwuchspiranhas, um den erfahrenen internationalen Haifischen in den Krabbensalat zu spucken, teils herrschte eher Neugier und Lust auf eine außerdeutsche Diplomacy-Affäre, bei der man den Großen mal über die Schulter gucken darf.
Neben dem Team-Wettbewerb, zu dessem Beuhufe die Ergebnisse der 7 Mannschaftskollegen der ersten beiden K.O.-Runden addiert werden, kämpfen die Besten im anschließenden Halbfinale und Finale auch um den Titel des Single World Champions. Gut im Rennen für die WM 2004 liegt vor allem das international gemischte Team von Frank Bacher, die Friendly Neighbours, bei dem auch Sascha Hingst mitspielt, und das nach zwischenzeitlicher Tabellenführung als Mit-Favorit gehandelt wird. Im Moment sind sie Vierter. Auch die "Proverbs 18:7" von Captain Bernd Wittmann, der die von DipCons bekannten Holländer René van Rooijen und Ronald Lokers und den Schweden Dennis Andersson eingekauft hat, sowie die versammelten Ösis des Teams "Tu, Felix Austria" um Sebastian Beer schlagen sich aussichtsreich im Top-Ten-Bereich.
Nicht zuletzt gilt ein Schritt über den Horizont deutscher Plattformen und der teils doch im Einschlafen begriffenen hiesigen Turniere und Turnierchen hinaus als Chance, sich internationalen Wind um die Nase wehen zu lassen: Sei es, um sein diplomatisches Können aufzupolieren, sei es, um das persönliche Emailadressbuch zu erweitern, sei es, um Abstand von deutschen Regelkeilereien und Abschenkerdebatten zu gewinnen. Nicht dass es in anderen Communities keine vergleichbaren Hahnenkämpfe gäbe; und auch Diskussionen darüber, ob man als nicht-anglosachsischer Muttersprachler Nachteile in Kauf nehmen müsse und Deutsche nicht grundsätzlich gemobbt würden, wollen nicht verstummen. Doch zeigen Teams wie die Friendly Neighbours, die in ähnlicher Besetzung letztes Jahr bereits beim DipWorld-Turnier abräumten, das Gegenteil. Die WM-Partien selbst sind kein Ort der Konkurrenz der Spielsysteme, sondern die Arena der Gladiatoren, in der Blut und Schweiß fließen und die Schwerter sprechen. Die Herkunft spielt eine untergeordnete Rolle. Jeder darf rein, aber nur wenige kommen lebend wieder raus.
Während sich Ludomaniac, Marktführer auf dem Gebiet der medienwirksamen Rudelbildung, zum Anlass der WM 2002 unter der Aufsicht von Bernd Wittmann und Stefan Unger ordnungsgemäß mit einer Turnierseite inklusive Team-Übersicht, aktuellen Platzierungen, Archivfunktion und - unerlässlich - einem eigenem Forum hochrüstete, richtete André Ilievics eine Übersichts-Seite für Lepanto ein (siehe unten). Den sportlichen Wettlauf zwischen den Communities gewannen die Ludomanen: Die "PanGalactic GargleBlasters" (pfannengalaktische Gurgelbläser ?) um Jan Baier landeten als 15. von 73 Teams nur einen Platz vor Bernds "German Gentlemen", in der sich eine Art selbst ernannte Ludo-Auslese versammelt hatte. Lepanto stellte immerhin die Plätze 27 und 31. Den Griff zu den Sternen tat aber ein Judger.
Obwohl sich fast alle deutschen Spieler in den ersten beiden Runden eine blutige Nase holten, überstanden doch zwei von ihnen die Halbfinalaussiebung und betraten die Bühne der prestigeträchtigen Vorschlussrunde der besten 42, zu denen dann die Finalisten des Vorjahres stoßen. Wer es bis hierher schafft, kann sich schon zu den Könnern zählen. So wurden nun auch keine Gefangenen mehr gemacht. Kuscheln stand unter Todesstrafe. Keine friedlichen Shared Tops und brüderlich geteilten next round Tickets. Denn nur die 7 Helden mit der höchsten Punktesumme aus allen gespielten Runden ziehen ins Finale ein. Ludos Gentleman Bernd Wittmann reichten 8 VZ zu einem respektablen dritten Platz in der Partie, so dass er als 16. der Gesamtwertung abschnitt. Und als der Staub sich legte, war einem Deutschen, der bei Lepanto schon lange als hervorragender Spieler gilt, bei Ludo aber fast unbekannt ist, der Sprung in das ultimative Haifischbecken gelungen: Robert Köhnen, 28 Jahre alt, Düsseldorfer Medizinstudent. Unsere Star in Hollywood.
Robert führt die italienischen Steine im laufenden Finale, das sich mit der Vorrunde der WM 2004 überschneidet und auf den Herbst 1907 zusteuert. Als momentaner Zweiter mit 8 VZ (hinter dem russischen Bündnispartner (?) mit 10 VZ) hat er noch begründete Aussichten, sich einmal World Champion nennen zu dürfen. Nicht nur seine Kollegen aus dem Team "DEAC's Kohort of Seven", das als 27. abschnitt, drücken feste die Daumen. Doch leider findet das hochklassige Finale außerhalb des Gesichskreises der meisten deutschen Spieler statt. Es hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, denn selten gibt es mehr zu staunen und zu lernen als in einem WM-Finale, und selten gibt es mehr Grund zum Mitfiebern als bei diesem Finale.
Der tatz gab Robert deshalb Auskunft über seinen Weg in die Endrunde der Creme de la Creme und den Werdegang vom Anfänger zum gewieften Strategen - sowie Tipps für alle, die es noch werden wollen. Demnach sind es nicht nur taktische Übersicht, sondern auch alte Freundschaften und Unterstützung von außen, die einem den Psychotripp einer K.O.-Runde auf höchsten Niveau überstehen helfen.
tatz: Wie war dein Weg ins WM-Finale?
Robert: Mein Weg ins Finale dieser WM hat eigentlich schon in der letzten WM angefangen. Dort spielte ich in der zweiten Runde gegen Mike Weinzeimer, einen sehr guten Spieler. Obwohl wir gegeneinander kämpften, machte er mir am Ende ein sehr faires Angebot, welches es uns beiden erlaubte ins Halbfinale zu gelangen.
Als wir uns dann in der ersten Runde dieser WM wieder trafen, war uns klar, dass wir zusammen spielen würden. Mit Deutschland und Russland war es dann gar nicht sooo schwierig, das Board zu toppen und den Sieg unter uns aufzuteilen.
Es ist wirklich erstaunlich, aber man trifft immer wieder Leute, gegen die man schon einmal gespielt hat oder die mit jemanden befreundet sind, mit dem man mal zusammengearbeitet hat, daher ist es gerade bei der WM wichtig, beim Spielen einen guten Eindruck zu hinterlassen. Zahlt sich in der Regel aus. Daher versuchte ich in den ersten beiden Runden immer einen geteilten Sieg zu erreichen. Das ist vollkommen ausreichend, wenn man ins Halbfinfale gelangen möchte - und man hat immer zumindest einen, der eine hohe Meinung von dir hat.
In der zweiten Runde spielte ich dann Frankreich und hatte einen sehr gelungenen Start. Ich entschied mich für Österreich als meinen Langzeitverbündeten. Ich half ihm aus einer schwierigen Situation heraus, war immer ehrlich zu ihm und als er dann am Ende doch stärker wurde als ich selber, war er dennoch bereit unser gegenseitiges Versprechen einzuhalten und den ersten Platz mit mir zu teilen. Das war ein Bisschen riskant und ich war sehr erleichtert, dass es geklappt hat.
Im Halbfinale wurde es dann richtig eng. Jeder meiner sechs Gegner war ein richtig guter Spieler und Österreich war nicht unbedingt die Nation, die ich am liebsten spiele. Gerade Toby Harris, welcher Deutschland übernahm, ist einer der gerissensten Gegner, denen ich je begegnet bin. Aber ich lernte viel von ihm.
Ich glaube nicht, dass ich dieses Spiel ohne einen Coach gewonnen hätte. Aber ist unglaublich hilfreich, wenn man jemanden hat, mit dem man über die Partie sprechen kann. Jemand, der nicht emotional befangen ist, eine klare Sicht hat und dir sagt, ob die Gegner das Recht haben etwas zu verlangen oder nicht. Es kommt häufig vor, dass alle deine Nachbarn dich einen Dummkopf nennen, dir sagen, dass deine Entscheidungen in deinen Untergang führen. Ohne jemanden in deinem Rücken der dir sagt, dass alles gut ist und die Aufregung sich wieder legen wird, ist es verdammt hart seinen Kurs beizubehalten.
tatz: Wie bist du zu Diplomacy gekommen und richtig "gut" geworden?
Robert: Angefangen habe ich Diplomacy mit ein paar FtF-Spielen gegen Freunde. Hier stand der Spaß im Vordergrund und es wurde viel und sinnlos gestabbt. Dann spielte ich ein paar Partien bei DEAC, bis André Ilievics mich dann für die WM 2000 rekrutiert hat. Seitdem habe ich eigentlich nur noch international gespielt, einfach weil es mir mittlerweile zu anstrengend geworden ist, mehr als ein Spiel gleichzeitig zu spielen - außerdem leidet die Qualität meist darunter. Als richtig gut würde ich mich nicht bezeichnen, es gibt vieles was ich noch verbessern könnte; das taktische Gespür beispielsweise. Aber ich habe sehr viel von meinen "Trainern" gelernt, die ich immer wieder zwischendurch hatte. Auch lernt man viel von seinen Gegnern, wenn man bereit ist zuzuhören. Und zuguterletzt habe ich auch einiges aus den zahlreichen Diplomacy-Artikeln gelernt, die ich gerade zu Beginn gelesen habe. Aber vieles lernt man erst aus der Erfahrung.
tatz: Was hast du in internationalen Partien gelernt, was man im deutschen Hobby nicht lernen kann? Bzw. was auch immer du den deutschen pbem-Spielern gern mal sagen würdest...
Robert: Naja, so groß ist der Unterschied zwischen dem deutschen und dem internationalen Diplomacy nicht, wir haben auch einige wirklich sehr gute Spieler hier. Aber es gibt so ein paar allgemeine Tipps, die immer wieder mal ausgesprochen werden sollten. Ich könnte da richtig viel drüber schreiben, aber ich werde mich auf das wesentliche beschränken.
1) Man sollte immer so viel schreiben wie möglich. Auch wenn alles Wesentliche besprochen ist und man in allen wichtigen Fragen Übereinkunft erzielt hat, trotzdem weiter den Kontakt halten und sei es nur um zu sagen, dass immer noch alles im Grünen Bereich ist. Und auch zu den Feinden viel schreiben, freundlich sein, sich erklären, Hoffnung machen für die Zukunft. Man sollte sich nie Möglichkeiten für die Zukunft verbauen.
2) Nie eingeschnappt sein. Man sollte fast alles vergeben und nie den Kontakt abbrechen. Gefühlsausbrüche sollten dosiert und gezielt eingesetzt werden - und immer mit der kommenden Versöhnung im Hinterkopf. Niemand erwartet einen heimtückischen Stab gerade nachdem man sich so schön ausgesprochen hat ;-)
Jetzt zwei Tipps die Züge betreffend:
3) Man sollte versuchen immer so zu ziehen, dass man so wenig wie möglich von dem Mitspieler abhängig ist. Ist wirklich wichtig. Im Zweifel auf den versprochenen Support verzichten und was Eigenes probieren.
4) Immer versuchen eine Position zu haben, die einen feindlichen Stab THEORETISCH verhindern könnte. Es spielt keine große Rolle, ob man sich wirklich verteidigen möchte oder nicht, aber alleine der theoretische Zweifel, dass ein Stab scheitern könnte, kann manchmal lebensrettend sein. Ist wirklich wichtig. Aus den besten Freunden können Feinde werden, wenn sie sich Zentren holen können ohne fürchten zu müssen, dass etwas dabei schief geht. In dem Zusammenhang kann man noch sagen, dass durchaus vertrauensbildend ist, eigene Züge bei Freunden anzukündigen, aber viele Züge sollte man nur als wahrscheinlich ankündigen und sich den Segen für etwaige Alternativen einholen, die dem Verbündeten auch nicht wehtun. Und niemals ALLE Züge offen legen.
Die tatz sagt: Danke für das Interview und noch viel Glück! Über seine Final-Partie wollte sich Robert aus naheliegenden Gründen nicht äußern. Macht nichts - die tatz bleibt am Ball!