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Die tatz.

Das deutsche Diplomacy-Magazin.

Feuilletatz
Die unendliche Einsamkeit des Dippyspielers

Frust in der WM, Frust in allen Online-Spielen. Warum beginnt jemand eine Partie Diplomacy per Mail, wenn er dann gar nicht mailen möchte? Warum spielt jemand eine Press-Partie, wenn NoPress eigentlich genau das richtige für ihn wäre? Wenn dem Hobby etwas abgeht, dann sind das ideale SpielerInnen, die permanent verhandeln, ihre Züge dreimal durchlesen bevor sie sie abgeben, halt, noch wichtiger: die ihre Züge *überhaupt* abgeben, (nachdem sie sei dreimal durchgelesen haben), ist ja alles offensichtlich keine Selbstverständlichkeit.

EOGs erwarte ich gar nicht mehr. Jüngeren Spielern ist dieses Initialwort vermutlich nur noch als mythisches Etwas einer grauen Vorzeit des Hobbies (aus dem Zeitalter der Elben, um einen ungefähren Richtwert zu geben) ein Begriff, ältere Semester mögen sich erinnern, irgendwann einmal in einem dunklen Winkel einer geheimnisvollen Website eines zu Gesicht bekommen zu haben, und manchmal trifft man sogar noch einen alten Weisen, der sich rühmt, in seiner Jugend mal selbst eines verfasst zu haben, wenn man das glauben kann.

Der moderne Pbem-Spieler entspräche einem FtF-Spieler, der sich bei Spielbeginn in eine Ecke des Raumes verzieht, auf Ansprache mit 'Genau so machen wirs' oder eisigem Schweigen reagiert (vielleicht hat der Mann ja auch gerade viel zu tun, viel Kommunikation kann man da als Mitspieler tatsächlich nicht erwarten), und dann seine Züge säuberlich randomisiert bevor er sie abgibt. Wenn man bei einem FtF-Spiel diesen Typen fragen würde, warum er denn überhaupt mitspiele, warum dann nicht bei Pbem? Vermutlich, weil ohnehin keine Antwort käme.

Der ideale Spieler jedenfalls schreibt gerne. Er analysiert und formuliert leidenschaftlich, und hat den Drang, sich anderen Menschen mitzuteilen. Er liest seine Mails durch, bevor er sie abschickt, er liest seine Züge durch, bevor er sie abschickt, und er schickt sie dann auch tatsächlich und pünktlich ab. Das sind Selbstverständlichkeiten? Schon mal per E-Mail gespielt???

Der ideale Spieler wurde in einem Gewitter gezeugt. Seine Eltern entstammen keiner Adelsfamilie, sie reisen nicht gerne. Tatsächlich haben sie auch ihr Kind nicht gern, das in Folge in einem feuchten Keller mit nichts anderem als einer Europa-Karte eingesperrt seine Nachmittage verbringt. Aus Brotteig formt es Flotten und Armeen, mit denen es Showcase-Partien nachstellt, bis es sie auswendig beherrscht. Pünktlich um sechs muss es zum Abendessen antreten. Wenn es die Deadline verpasst, gibts statt drei Löffel Suppe eins hinter die Löffel und knurrenden Magen. Gesprochen wird nicht. Die einzigen Ansprechpartner des Kindes sind der imaginäre Sultan des Osmanischen Reiches und etliche andere europäische Herrscher des beginnenden 20. Jahrhunderts. In der Pubertät beginnt der Ideale Spieler seine imaginären Spielgefährten zu hassen und mit Krieg zu überziehen. Wieder und wieder erobert er in zwanghaften Zügen Europa. Bis er Mitte 20 sozialisiert wird, und neben seinen bisherigen Eigenschaften als Idealer Spieler auch als Mensch zu einem wertvollen Mitglied in sämtlichen Gruppen heranreift.

So, und nun frage ich: wo sind die wirklich guten wenn schon nicht idealen Spieler? Wo sind die EOGs, die Spiele ohne NMRs? Wo sind die Spiele, in denen noch wirklich kommuniziert wird? Wieso gibt es so selten Gewitter?

Sebastian Beer