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Die tatz.

Das deutsche Diplomacy-Magazin.

Feuilletatz
Stell dir vor, es ist kein Krieg(sspiel)

Stell dir vor, es ist kein Krieg(sspiel)

oder: warum es wichtig ist, das Vorurteil Nummer 1 über Diplomacy auszuräumen.

Die gute Nachricht zuerst: niemand muss Mandarin lernen um ein guter Diplomacy-Spieler zu werden, noch Deutsch oder Latein. Das Studium alter Schriften wird nicht vorausgesetzt, man muss seinen Caesar nicht inhaliert haben noch Clausewitz oder Sun Tzu. Und man wird dadurch keinen Nachteil am Diplomacy-Brett erleiden, nicht einmal wenn der Gegner sämtliche Werke zur Kriegsführung unter seinem Kopfkissen hat, und Sun Tzu im Original zitiert.

Warum diese Frohbotschaft? Knapp gesagt: Diplomacy ist kein Kriegsspiel. Und wenn etwas mit Krieg nichts zu tun hat, dann kann Kriegsliteratur auch nicht viel darüber aussagen. Aus diesem Grund muss man Bücher zur Kriegsführung nicht gelesen haben, um erfolgreich Diplomacy zu spielen. So eine Freude!

Der Ablauf von Diplomacy besteht aus Verhandlungen zwischen Spielern, die mit Herrschern oder Generälen nichts zu tun haben, über abstrakte Spielfiguren, die mit militärischen Einheiten nichts zu tun haben, auf einem abstrakten Plan, der mit Europa nichts zu tun hat (wers nicht glaubt soll sich die abstrakten Karten unter http://dgmr.ludomaniac.de/ anschauen). Es fehlen kriegsbestimmende Faktoren wie Einheitentypen, Ausr¸stung, Moral, Ausbildung, Landschaftstypen, Witterung, Versorgungslinien, Unterstützung der Bevölkerung, Spionage, Geld, Medien, Gefangene, Industrie, etc. etc.

Was bleibt sind eben abstrakte Spielfiguren mit abstrakten Bewegungsmustern auf einer abstrakten Karte, und konkrete menschliche Kommunikation zu diesen. So betrachtet ist es kein Wunder, dass keiner der alten Generäle etwas zu dieser sehr speziellen Situation zu sagen hat. Wer sich unbedingt in das Spiel einlesen will, sollte auf Quellen zurückgreifen, die sich mit exakt dieser speziellen Situation beschäftigen, nämlich den Artikeln, die von Menschen geschrieben wurden, die Diplomacy spielen. Das sind schliefllich die einzigen, die dazu etwas zu sagen haben (sollte wem ein Buch unterkommen, in dem Tips zum Verhalten in Situationen, in denen man mit sechs anderen erwachsenen Menschen auf einem Brett Spielfiguren herumschiebt, um herauszufinden, wer das am besten beherrscht, bitte mich wissen lassen).

Kriegsspiele beginnen auf dem komplexitätsgrad von CoSims (Conflict Simulations, die, wie der Name schon sagt, tatsächlich den Anspruch haben, Konflikte zu simulieren); hier macht es durchaus Sinn sich anzusehen, welche Faktoren für das Gewinnen eines Krieges relevant sein können. Wer sich als Kaiser, Zar oder Sultan fühlen möchte, dem sei ein Rollenspiel, eins der zahlreichen Computerspiele zum Thema oder eben ein CoSim ans Herz gelegt. Diplomacy ist ein abstraktes Strategiespiel, die ganze Aufmachung Richtung 1. Weltkrieg ist Mummenschanz und Blendung.

Was brauche ich also, um bei Diplomacy gut abzuschneiden? Meiner Meinung nach drei Faktoren:
1) Soziale Kompetenz im weitesten Sinne
2) Problemlösungskompetenz (Erkennen von Situationen und Entwicklung von Strategien allgemein)
3) Erfahrung.

Warum eine militärische Ausbildung, esoterische Literatur oder Beschäftigung mit dem Thema "Krieg" auf diese Liste sollten, erschlieflt sich mir einfach nicht. Ebenso wüsste ich nicht, dass Absolventen von militärischen Kaderschmieden, Akademien oder diplomatischen Schulen unverhältnismäßig häufig Diplomacy-Partien gewinnen würden. Warum sollten sie auch; man braucht ja auch kein Wirtschafts-Diplom für eine gepflegte Partie Monopoly.

Krieg ist nicht Thema sondern Verkleidung von Diplomacy. Solange das allen, die sich im Kriegskontext suhlen, bekannt ist, habe ich (hier) nichts mehr zu sagen. Wer's noch immer nicht glaubt, ist zu einer Gegendarstellung herzlich eingeladen (am besten gleich unter tatz@ludomaniac.de , mit der Erlaubnis, das gute Stück dann in der tatz 5 zu veröffentlichen).