Moin Christian,
moin alle,
danke für den Anstoß der Diskussion. Wenn man die Argumentation und Legitimation aus der russ. Förderation für die kriegerische Handlung berücksichtigt, fällt es zumindest mir auch schwer, gemütlich und entspannt meine Partie zu leiten. Als Spieler ist das sicherlich auch nochmals etwas schwieriger, vor allem wenn man das russ. Kaiserreich als Fraktion zugelost bekommen hat.
Ob eine andere Karte oder ein anderes Setting das mulmige Gefühl behebt glaube ich aber ehrlich gesagt nicht. Hier ist das sich aktiv bewusst machen m.M.n. der Schlüssel, um die derzeitige Situation in Osteuropa und das Spiel klar zu differenzieren. Nichtsdestotrotz kann das Spiel in Verbindung mit der derzeitigen Kriegssituation durchaus einem psychisch zusetzen. Daher ist mein Ansatz, zunächst ein Meinungsbild unter den Spielern zu machen und eine mögliche Unterbrechung der Partie zu diskutieren.
Was mir besonders wichtig in diesem Kontext ist, wäre eine großzügiger Umgang mit einem freiwilligen Ausstieg von Spielern. Wenn sie sich moralisch und/oder mental wegen des Krieges nicht in der Lage sähen weiterzuspielen, wäre hier eine Sperre ggf. etwas anders zu bewerten. Auch wenn man natürlich sagen kann, dass die mögliche Sperre durchaus auch ein Zeitfenster für eine ädequate Distanzierung zum Spiel sein kann.
Ansonsten ist die Diskussion, wie Konfliktdarstellungen in Spielen zu bewerten sind, eine durchgängige und sinnvolle Diskussion. Derartige Darstellungen sehe ich auch zu Friedenszeiten immer als diskussionswürdig an. Bei Diplomacy sehe ich zumindest weniger Probleme als beispielsweise bei digitalen Echtzeitstrategiespielen oder Ego-Shootern, die explizite kriegerische Handlungen darstellen. Diplomacy ist für mich da dann durchaus abzugrenzen, da es einerseits zu abstrakt ist und anderseits auch im Kontext historisch in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg verortet ist. Diese Abstraktion kann durchaus auch schwierig sein, da es im Grunde auch das ist was Befehlshaber selbst auch machen, nämlich anhand von Karten und ein paar Symbolen oder Steinen als abstrakte Repräsentation von aus mehreren tausend Menschen zusammengesetzte Einheiten über den Kriegsschauplatz zu bewegen und schlachten zu schlagen. Der Bezug zur heutigen Zeit und derzeitigen Situation kommt m.M.n. aber hauptsächlich einerseits aus der o. g. Argumentationslinie und anderseits auch durch die gängig genutzten Abkürzungen (Russland statt russisches Kaiser- oder Zarenreich) zustande. Hier kann man dann durchaus auch aktiv durch die vollständige und historisch korrekte Namensverwendung schon ein gewisses Maß an Abhilfe schaffen.
Was die Presse angeht: als Spielleiter verzichte ich seit geraumer Zeit aus Zeitgründen auf die anfänglich häufiger umfangreich formulierten Pressetexte und belasse es mittlerweile bei Standardtexten. Das nimmt dem Spiel zwar in gewissem Umfang die Tiefe, die ist aber m.M.n. verschmerzbar. Das ist bei Spielerpressemitteilungen aber auch nochmals etwas anderes (insb. als Spieler des russischen Kaiserreiches).
Ich hoffe imständig, dass der Krieg schnellstmöglich endet und die Spirale der Gewalt und das Aufschaukeln zurückgefahren wird. Die offizielle Rhetorik der vergangenen Tage der öffentlichen Würdenträger und die daraus resultierenden Handlungen finde ich erschreckend und beängstigend.
LG
Tim