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Die tatz.

Das deutsche Diplomacy-Magazin.

Arena
Interview mit Robet Köhnen, dem Vize-Weltmeister, über das WM-Finale

Robert spielte Italien im Finale der Email-WM und wurde Zweiter, wohingegen Julio Pereira, sein russischer Bündnispartner, gewann. Robert kann sich jetzt damit schmücken, so nah an den Pott rangekommen zu sein wie noch kein Deutscher zuvor. Die tatz gratuliert und hält ihm natürlich gleich das Mikro unter die Nase!

tatz: Zunächst mal herzlichen Glückwunsch zum Vizeweltmeister! In den letzten Spieljahren hatte sich das Ergebnis ja schon angebahnt, sowohl der Sieg von Julio Pereira (RUS) als auch dein zweiter Platz (ITA). Als die Email vom Spielleiter im Postfach lag, mit dem Ergebnis der Draw-Abstimmung, warst du da überhaupt noch nervös? Wie hast du reagiert?

Robert: Naja, nervös war ich nicht. Nachdem England sich dafür entschieden hatte, StP abzubauen und somit dem Russen zurückzugeben, war das Spiel eigentlich entschieden. Danach habe ich selbst vorgeschlagen, das Spiel zu beenden.

tatz: Es muss eine hochklassige und zeitintensive Partie gewesen sein. Wie viel harte Arbeit steckt dahinter, und wie viel Spaß? Hattest du Berater und Helfer? Was hast du aus der Partie gelernt?

Robert: Es steckt sehr viel Arbeit hinter einer solchen Partie - und insbesondere erst einmal dahin zu kommen! Mehr als zwei Jahre lang musste ich fast täglich E-Mails schreiben, meist mehrere (manchmal zwei Stunden am Tag, manchmal nur zehn Minuten, aber selten weniger). Zu Weihnachten oder Ostern war ich froh, wenn ich mal eine Woche Pause hatte. Insgesamt war im am Ende doch ziemlich erschöpft: Verhandeln, Lügen und Betrügen ist schon ziemlich anstrengend, vor allem wenn die meisten Mitspieler sehr sympathisch sind. Mein Berater war Egbert Ferreira, einer der besten Diplomacy-Spieler, die ich jemals kennen gelernt habe. Er war notfalls praktisch täglich zu erreichen und hat fast ebensoviel Arbeit in das Spiel investiert wie ich (insbesondere im Halbfinale).

tatz: Gab es einen Punkt in der Partie, an dem du der Verzweiflung nahe warst und mit einem zweiten Platz nie und nimmer gerechnet hättest? Wie hast du dich dann weiter motiviert?

Robert: Eigentlich habe ich nie verzweifelt. Als Frankreich begann, mich Ende 1902 anzugreifen, sah es ziemlich schlecht aus, aber mein Berater und mein russischer Verbündeter haben mich sehr gut wieder aufgebaut, und schon bald gelang es mir, mich wieder zu erholen.

tatz: Du hast als Italiener ein festes Bündnis mit Russland gespielt, bis zum Ende. Zusammen hatten ihr zuletzt 25 VZ. Was hat euren Erfolg ausgemacht? War das persönliche Verhältnis zwischen dir und Julio, dem Russen, ein besonderes, oder haben euch einfach immer wieder die strategischen Überlegungen vom Weiterführen des Bündnisses überzeugt?

Robert: Bevor das Finale begann, wandte Egbert Ferreira, mein Berater, sich an mich und erzählte mir, dass die zweite Person, die er berät, nämlich Julio Cardozo [Pereira, Red.], sich ebenfalls für das Finale qualifiziert hätte. Es war sehr schnell klar, dass wir zusammen arbeiten würden und ein festes Bündnis eingehen. Eine Sache, die insbesondere deshalb erfolgsversprechend war, weil niemand von unserer Verbindung wusste. Ich war etwas enttäuscht, als ich dann Italien zugelost bekam und Julio Russland bekam, weil er so ein wenig mehr von meinem Angriff auf Österreich profitieren konnte als ich, aber ich war eigentlich zuversichtlich, das während des Spiels wieder ausgleichen zu können. Julio und ich sind jetzt gute Freunde. 2006 will er zur WM nach Deutschland kommen. Er schuldet mir noch einen chilenischen Grand-Cru-Wein (verlorene Wette), den wir dann zusammmen trinken wollen.

tatz: Dein russischer Bündnispartner hat den Sieg davon getragen, ohne dass es augenscheinlich je zu einem Stab-Versuch zwischen euch kam. Um diese Frage kommen wir nicht herum: Was sagst du zu dem Vorwurf, du hättest den Sieg deines Bündnispartners nicht verhindert, hättest ihn quasi zum Sieg getragen und dich mit Platz 2 zufrieden gegeben? Man sagt schließlich, der zweite Sieger ist auch der erste Verlierer. An welcher Stelle hast du die Partie verloren?

Robert: Wenn ich gute Chancen gehabt hätte, durch einen Stab das Spiel zu gewinnen, hätte ich es getan. Aber bedauerlicherweise war die Situation meist so, dass ein Stab allenfalls Julio den Sieg geraubt hätte. Mein Spiel litt sehr unter der von Türkei und Deutschland (seit 1902!) ausgehenden Propaganda, ich würde für Julio spielen und hätte kein Interesse am Sieg. Zu diesem Zeitpunkt profitierten Julio und ich gleichermaßen von unseren Bündnis, und ich war nicht darüber besorgt, dass er anfangs stärker war als ich - das passiert nun einmal, wenn Russland und Italien zusammen arbeiten. Ich hatte geglaubt, das irgendwann ausgleichen zu können. Bedauerlicherweise entschieden sich alle Leute immer wieder dazu, Steine in meinen (und nicht in Julios) Weg zu schmeissen. Ich denke, dass sie auf diese Art und Weise hofften, mich zu einem Stab zwingen zu können. Am Anfang hätte ich ihn noch stabben können, aber da hatte ich noch nicht gewusst, dass es so weit kommen würde. Nachher war ich bereits die meist-gehasste Person am Tisch - und unter diesen Umständen wäre es tödlich gewesen, meinen letzten Verbündeten zu hintergehen. Bis zum Ende hatte ich Hoffnung, dass England sich vielleicht noch dazu entschließen würde, mir zum Sieg zu verhelfen, aber letztendlich entschied auch er sich für Julio, was ihm den Sieg brachte. Die frühe Propaganda, dass Julio klug spielte und ich nur sein Sklave sei, hat mich viel gekostet. Aber ganz davon abgesehen hat Julio den Sieg auch verdient. Er hat meisterhaft gespielt, und jeder hat ihm den Sieg gegönnt. Ich glaube es war 1909 oder 1910, als ich eine ganz gute Stab-Chance vertan habe, aber da habe ich noch geglaubt, es könnte ohne einen Stab gehen...

tatz: Julio der Russe hat dem Draw selber zugestimmt, obwohl er ziemlich sicher auch ein Solo hätte machen können. Wie konnte es soweit kommen, dass in einer hochklassigen Partie wie einem WM-Finale ein Solo in greifbare Nähe rückt?

Robert: Die Chance bekam er erst, nachdem sein Sieg bereits feststand. Als England sich dafür entschied, an Julio abzuschenken und nicht zu meinem Vorteil zu spielen, habe ich Julio gesagt, dass ich ihm den Sieg überlasse. Wir haben dann noch ein Jahr weitergespielt, um England, Deutschland und Frankreich mit gleich vielen VZ das Spiel beenden zu lassen. Ich kannte Julio gut genug, um da nicht mehr mit einem Soloversuch zu rechnen...

tatz: Wollte Julio wirklich "fair" sein, als er das Solo ausgeschlagen hat, oder muss man damit rechnen, dass es solche moralischen Bedenken bei Diplomacy nicht gibt und er nur seinen Ruf als fairer Spieler pflegen wollte?

Robert: Auch bei guten Spielern gibt es fair-play. Zumindest bei manchen. Wenn es wirklich was zu gewinnen gibt, muss man gelegentlich auf fair-play verzichten können. Aber Julio hatte den Sieg bereits sicher, es gab keinen Grund für ihn, ein Solo zu suchen. Vielleicht hätten andere Spieler anders gehandelt, aber das ist eine Charakterfrage. Bei Julio war ich mir sicher, dass er das Solo nicht suchen würde. Von Anfang an sah unser "Traumende" so aus, dass der eine Erster und der andere Zweiter würde. Hat ja auch geklappt, obwohl ich mir wirklich gewünscht hätte, es würde andersherum ausgehen. Aber eigentlich hatte ich direkt von Anfang an zu starken Gegenwind von Deutschland, Österreich, Frankreich und der Türkei, um jemals gegen Russland vorgehen zu können und den Sieg zu suchen. Sogar England räumte ein, dass ich nie wirklich eine Chance hatte, Julio erfolgreich zu stabben - abgesehen von der einen Chance 1909 und 1910, als England mir ein Angebot machte. Aber hätte ich zu diesem Zeitpunkt zugestimmt, hätte England bessere Siegchancen gehabt als ich. Ich habe dann versucht, die Sache etwas rauszuzögern, so dass meine Siegchancen besser würden, aber dann war England nicht mehr zu moderaten Verhandlungen bereit...

tatz: Wie war die Stimmung innerhalb der Partie? Waren alle "professional sportsmen", oder flogen auch schon mal die Fetzen, sind Spieler persönlich geworden oder haben die Fassung verloren?

Robert: Naja, es flogen schon die Fetzen, und es waren auch ein paar persönliche Beleidigungen dabei, aber das muss man schon mal abkönnen. Ich gehe immer davon aus, dass auch persönliche Beleidigungen strategisch gemeint sind (habe das auch schon mal gemacht, obwohl es nicht nett ist). Das hilft, um auch mal Gemeinheiten tolerieren zu können.

tatz: Hast du einen besonders kuriosen Zug oder eine Anekdote aus den Verhandlungen parat, die dir im Gedächtnis geblieben ist?

Robert: Oh! Schwierige Frage. Eine der kritischsten Phasen für mich war 1903, als Frankreich einen Convoy nach Tuscany verschusselt hat. Da hatte ich Glück, wäre wohl ansonsten als Randnote in die Geschichtsbücher eingegangen. Naja, und 1902 habe ich selber einen dummen Zug abgegeben, weil ich mit dem Auto im Tunnel stehen geblieben bin und es nicht mehr rechtzeitig zum ZAT geschafft habe.

tatz: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Julian Ziesing